Im Kern geht es beim Plan B um die Angleichung von Schweizer Vorschriften an jene der EU, also um die Übernahme von EU-Recht; anders als mit dem Rahmenabkommen bestimmt die Schweiz selber, wo sie sich anpassen will. Für Rechtsprofessor Thomas Cottier ist das gar nicht neu und darum auch kein richtiger Plan B: «Der Plan B steht für weiter durchwursteln. Davon halte ich nicht viel.»
Denn die Schweiz passe sich längst dem EU-Recht an. Immer wieder, seit über dreissig Jahren, sagt der Experte für Europa- und Wirtschaftsvölkerrecht. «Der wesentliche Teil dieses angeblichen ‹Plan B› besteht darin, dass man weiter macht, was man ohnehin schon immer getan hat: sich weiter EU-Recht anzunähern.»
Wir haben gar keinen Einfluss auf EU-Recht. In dem Sinne sind wir überhaupt nicht souverän.
1988 führte die Schweiz die Politik der Europa-Kompatibilität ein, das Schweizer Recht wurde dort der EU angepasst, wo es für die Schweiz sinnvoll war. Mit den bilateralen Verträgen wurde diese Anlehnung noch verstärkt.
Für den überzeugten Europäer Cottier ist die Situation darum geradezu paradox: Die Schweiz betone zwar gerne ihr traditionelles Selbstverständnis von Souveränität und Autonomie, «aber die Realität sieht natürlich anders aus, umso mehr als wir gar keinen Einfluss auf EU-Recht haben. In dem Sinne sind wir überhaupt nicht souverän.»
Im Gegensatz zu Cottier wollen Roland Büchel und seine Partei, die SVP, die Beziehungen zu Europa möglichst begrenzen. Der St. Galler SVP-Nationalrat ist Mitglied der aussenpolitischen Kommission, mit dem Plan B kann Büchel wenig anfangen.
Es braucht keinen Plan B, sondern einen Plan A: Nämlich eine Fortführung der bewährten bilateralen Beziehung, die wir mit der EU haben.
Auch für ihn sind diese Anpassungen an die EU Courant normal: «Es ist absolut so, dass man zusammenarbeitet und gewisse Bereiche übernimmt – dort, wo es Sinn macht. Es braucht aber immer einen bewussten Entscheid und keinen Automatismus.»
Als Gegner des Rahmenabkommens ist für Büchel auch kein Plan B nötig, die SVP wolle nun den Status quo pflegen, jetzt, wo das Rahmenabkommen vom Tisch sei. «Es braucht keinen Plan B, sondern einen Plan A: Nämlich eine Fortführung der bewährten bilateralen Beziehung, die wir mit der EU haben.»
Rechtsprofessor Cottier ist jedoch überzeugt davon, dass die Schweiz nicht so weiter machen könne wie bisher. Die EU habe klar gesagt, dass sie nicht vorhabe, die bilateralen Verträge laufend zu aktualisieren. Die Beziehungen zur EU müssten mit neuen Modellen geregelt werden, so Cottier.
Den Weg von Grossbritannien nach dem Brexit erachtet er aber nicht als sinnvoll. Die Schweiz dürfe das Freihandelsmodell der Briten nicht übernehmen: «Seit Grossbritannien auf ein Freihandelssystem gewechselt hat, ist der Handel zwischen Grossbritannien und der EU um 41 Prozent eingebrochen.»
Comeback des Rahmenabkommens?
Die britischen Exporteure waren von den neuen Zollformalitäten des Freihandelsabkommens überfordert und nicht genügend vorbereitet, so Cottier. Er ist überzeugt davon, dass das Thema Rahmenabkommen noch nicht vom Tisch ist. Die EU werde sich auch durch den Plan B der Schweiz nicht beschwichtigen lassen.
Cottier hofft nun auf das Parlament. Politikerinnen und Politiker wollen auf den Rahmenvertrag zurückkommen oder einen Beitritt zur EU oder zum Europäischen Wirtschaftsraum erwägen. Die politische Bewegung Operation Libero hat bereits angekündigt, dass sie über eine Volksinitiative nachdenkt.