Fest steht: Die Schweiz und die Autobahnen, das begann als Liebesgeschichte. Es war mit dem Bundesrat Hans Peter Tschudi, ein Sozialdemokrat, der am 10. Mai 1962 die ersten sechs Kilometer Nationalstrasse feierlich dem Verkehr übergab. «Die Autobahn fügt sich ausgezeichnet in die herrliche Landschaft ein. Das Werk des Menschen beeinträchtigt das Bild der Heimat nicht», war der Magistrat überzeugt.
Am Anfang stand ein wuchtiges Ja
Auch Sozialdemokraten und insbesondere die Gewerkschaften hatten sich stark für den Nationalstrassenbau eingesetzt. Mit einer Zustimmung von sagenhaften 85 Prozent hatten die Stimmberechtigten im Juli 1958 grünes Licht gegeben – nur ein Kanton, Schwyz, war dagegen.
Es gab die Befürchtung, die Schweiz verpasse den Anschluss.
«In den Boomjahren der Nachkriegszeit hatten sich immer mehr Leute ein Auto geleistet. Darum war der Druck gross, dass man Autobahnen baut», sagt Historiker und Mobilitätsexperte Ueli Haefeli. Die Zahl der Autos hatte sich seit dem Zweiten Weltkrieg fast verdreissigfacht. Der Verkehr belastete Dörfer und Städte.
Zudem gab es wirtschaftliche Motive: «Es gab die Befürchtung, die Schweiz verpasse den Anschluss. Und die Tourismusindustrie hatte Angst, dass die Gäste die Schweiz umfahren würden», so Haefeli.
Mit dem wuchtigen Ja zu den Nationalstrassen gab das Volk auch das Heft aus der Hand. Die Detailplanung oblag der Verwaltung und dem Bundesrat, das Parlament hatte das letzte Wort. In den Sechzigern blieb dieses Vorgehen weitgehend unbestritten. Der Bau des Netzes kam rasch voran.
Auf Jubeljahre folgt Widerstand
Die Wende kam zu Beginn der Siebziger: «1970 hat sich viel geändert in der Schweiz und weltweit, die Frauenbewegung, die Friedensbewegung und eben auch die Umweltbewegung entstand», sagt Haefeli. «Man war viel weniger bereit, die negativen Nebenwirkungen des Autoverkehrs zu schlucken.»
Der Widerstand entzündete sich an besonders einschneidenden Vorhaben: etwa die geplante Autobahn durchs Simmental und einen Rawil-Tunnel ins Wallis, die Verbindung zwischen Zürich und Zug durchs ländliche Säuliamt und nicht zuletzt die Stadtautobahn mitten durch Zürich.
An der Urne war der Widerstand nicht erfolgreich. 1978 scheiterte eine Volksinitiative des Umweltaktivisten Franz Weber. Sie wollte, dass das Volk per Referendum gegen Autobahnprojekte vorgehen kann. 1990 scheiterten zudem drei Volksinitiativen gegen ganz konkrete Projekte, die sogenannten Kleeblatt-Initiativen.
Das zeigt, dass die Demokratie eben doch ein Stück weit funktioniert hat.
Trotzdem habe der Widerstand etwas bewirkt, so Historiker Haefeli. So sei das Simmental autobahnfrei geblieben und der Autobahnbau durch Zürich gestoppt worden. «Das zeigt, dass die Demokratie eben doch ein Stück weit funktioniert hat. Die Leute, die da betroffen waren, setzten sich ein. Und die Verantwortlichen haben gesagt, okay, wir machen das anders.»
Die meisten Teilstücke des Autobahnnetzes wurden fertiggestellt, allerdings mit viel Verzögerung – war doch die Vollendung des gesamten Netzes ursprünglich für 1980 geplant. Besonders die letzten Teilstücke wurden teuer: Die Transjurane (A 16) und die A4 durchs Säuliamt wurden besonders landschafts- und lärmschonend gebaut und verlaufen oft in Tunnels.
So kostete das Autobahnnetz viel mehr als in den 1950ern berechnet. 3.8 Milliarden Franken betrug die Schätzung damals, bis heute ausgegeben wurden gegen 70 Milliarden. Selbst wenn man die Teuerung herausrechnet, ist das eine Vervierfachung.