Die «Agrarpolitik 22+» verlangt von den Bauern keine zusätzlichen Umwelt-Anstrengungen. Im Interview erklärt deren Präsident, Mitte-Nationalrat Markus Ritter, warum ihm das wichtig war – obwohl er Biobauer ist. Und warum er die Beschwerderechte der Umweltverbände erfolglos einschränken wollte.
SRF News: Sie sind Biobauer, sagten aber Nein zu allem, was mehr Umweltschutz, Tierwohl oder Klimafreundlichkeit gebracht hätte in der neuen Agrarpolitik. Wie passt das zusammen?
Markus Ritter: Wir haben drei Volksentscheide gehabt, die zeigten, in welche Richtung es gehen soll: die abgelehnten Initiativen zu Massentierhaltung, Trinkwasser und Pestizidfreiheit. Das war die Wegschnur für diese Vorlage.
Die Hälfte der Lebensräume und ein Drittel der Arten in der Schweiz sind bedroht. Ist Ihnen das egal?
Nein, wir haben die Umweltthemen ja vorgezogen mit einer parlamentarischen Initiative, die in Umsetzung ist. Das war dem Parlament wichtig, um Antworten zu haben auf die Initiativen.
Sie denken, das reiche, um die Bedrohung der Lebensräume und Arten zu stoppen?
Ja, ich glaube, wir sind weit fortgeschritten in der Landwirtschaft. Wir haben 19 Prozent ökologische Ausgleichsflächen, wir haben eine hohe Qualität in Fauna und Flora, viele Flächen sind vernetzt. Wir sind da schon sehr weit.
Wir sind der Meinung, dass zurzeit genügend Gesetze aufgegleist sind und es keine Ergänzungen braucht.
Kritiker sehen das anders. Wenn der Boden kaputtgeht und die Artenvielfalt schrumpft, sinken auch die Erträge der Bauern. Sägen Sie am Ast, auf dem Sie sitzen?
Nein, das tun wir nicht. Für uns ist wichtig, dass diese Themen bearbeitet werden. Wir sind der Meinung, dass zurzeit genügend Gesetze aufgegleist sind und es keine Ergänzungen braucht.
Bei den Pestiziden wollten Sie die Beschwerderechte der Umweltverbände einschränken. Diese hätten zum Beispiel nichts mehr zu sagen gehabt bei Gesuchen für eine breitere Verwendung eines Pestizids. Mit dem Nein zu dieser Einschränkung gewichtet das Parlament sauberes Trinkwasser offenbar höher als Sie?
Das ist richtig, wir wollten die Verfahren straffen. Wir haben 700 hängige Gesuche, die Verwaltung ist überlastet. Wir haben einen Vorschlag gemacht, der das Ganze ein wenig beschleunigt hätte, ohne die Einsprachemöglichkeiten und die Anliegen des Umweltschutzes allzu stark einzuschränken.
Es gab bisher nur zwei Beschwerden von Umweltverbänden. Zudem warnte der Verband der Trinkwasserversorger, bei einer Einschränkung der Beschwerderechte sei das Trinkwasser noch stärker gefährdet.
Das konnten wir nicht nachvollziehen. Bei der Zulassung von neuen Wirkstoffen und der Überprüfung der bestehenden wären die Beschwerdemöglichkeiten uneingeschränkt weitergeführt worden.
Wichtig ist die stärkere soziale Absicherung der Bäuerinnen. Aber auch bei ökonomischen Themen machen wir Fortschritte.
Beschlossen wurde hingegen, dass der Bund Bäuerinnen und Bauern Versicherungen gegen Ernteausfälle verbilligt. Also lieber Schäden finanzieren als sie verhindern?
Nein, wir wollen vorbeugend sein. Es gibt empfindliche Spezialkulturen – Wein, Gemüse, Obst. Dort soll die Möglichkeit geboten werden, sich etwas einfacher zu versichern. Diese Lösungen sind zum Teil teuer. Hier gibt es eine befristete Anschubfinanzierung des Bundes im einstelligen Millionenbereich, der aber im Gesamtrahmen-Kredit drin ist und den Bund nichts zusätzlich kostet.
Was ändert sich mit der neuen Agrarpolitik konkret für Bauernfamilien?
Wichtig ist die stärkere soziale Absicherung der Bäuerinnen. Aber auch bei ökonomischen Themen wie der Ernteausfallversicherung machen wir Fortschritte. Und Umweltthemen sind schon in Bearbeitung.
Das Gespräch führte Nathalie Christen.