Die Zürcher Oberjugendanwaltschaft hatte schon früh über den besorgniserregenden Trend informiert. «Wir beobachten, dass bei einer Minderheit der Jugendlichen Gewalt offenbar als Teil des Lifestyles gilt und damit legitim und sogar erstrebenswert erscheint», sagte Oberjugendanwalt Marcel Riesen-Kupper letzten April im Regionaljournal Zürich Schaffhausen.
Diese Glorifizierung von Gewalt belegte er mit Zahlen: 2021 wurden über 1000 Jugendliche beschuldigt, eine Gewaltstraftat begangen zu haben. Die Jugendgewalt stieg das sechste Jahr in Folge.
Die Zahlen der Oberjugendanwaltschaft werden nun auch von einer neuen Studie der Universität Zürich gestützt. Diese kommt zum Schluss, dass die Jugendgewalt nicht nur bei den polizeilich registrierten Delikten angestiegen ist, sondern auch in Bezug auf die nicht erfassten Gewalterfahrungen, von denen Jugendliche selbst berichten. So berichtet etwa fast jeder vierte Jugendliche, Opfer von Gewalt geworden zu sein.
Besonders stark zugenommen haben gemäss Studie Raub und Erpressung mit Gewaltandrohung sowie Körperverletzungen. Ebenso ist ein Anstieg bei den sexuellen Belästigungen zu verzeichnen, im schulischen Bereich wie auch in den sozialen Medien. Und nicht zuletzt weist die Universität Zürich auch auf eine deutliche Zunahme der Mobbingfälle hin.
Die Befragungen zeigen zudem: Die Jugendgewalt verlagert sich immer mehr in den öffentlichen Raum. Gewaltdelikte werden häufig von unbekannten Personen begangen, die Täter sind in Gruppen unterwegs. Diese Faktoren, gepaart mit der deutlichen Zunahme der Delikte, löst bei Jugendlichen ein erhöhtes Gefühl der Unsicherheit aus, wie die Studie weiter zeigt.
Verstärkte Präventionsbemühungen sollen die Situation beruhigen
Eine Erklärung für diese Entwicklung liefert die Studie nicht. Es sei aber wahrscheinlicher, dass ein Jugendlicher ein Delikt verübt, wenn gewisse Begleiterscheinungen beobachtet würden – wie die Verherrlichung von Gewalt oder Drogenkonsum. Wenig Einfluss attestieren die Studienleiter der Familienstruktur, hingegen trage ein immer schlechteres Schulklima zur steigenden Gewaltbereitschaft bei.
Die Erkenntnisse aus der Studie lassen für Experten nur einen Schluss zu: Im Kampf gegen Jugendgewalt sind weitere Anstrengungen nötig. Bestehende Massnahmen müssen weitergeführt, neue Massnahmen müssen entwickelt werden. Bereits verstärkt wurden die Präventionsbemühungen. So sensibilisiert die Polizei intensiv mit Online-Kampagnen, im Schulbereich wurde die Schulsozialarbeit versuchsweise an ersten Mittelschulen eingeführt.
Auf juristischer Ebene würden Gewaltstraftaten prioritär behandelt, nach Möglichkeit werde sofort interveniert, führt Oberjugendanwalt Marcel Riesen-Kupper aus. Der frühe Einbezug der Sozialhilfe und die Anordnung von Ersatzmassnahmen kämen hier zum Einsatz. Zur Verhinderung weiterer Straftaten würden die Jugendanwaltschaften Kontakt- und Rayonverbote aussprechen und Schutzmassnahmen anordnen.
Klar sei auch, so die Studie weiter, dass die Gewalt-Situation und das Verhalten der Jugendlichen weiter beobachtet werden müsse. Die Erkenntnisse würden nun in die Koordinationsgruppe Jugendgewalt fliessen, die bei der Bildungsdirektion angesiedelt ist, um Brennpunkte zu eruieren und bekämpfen zu können.