Der Wolf ist mit Abstand das intelligenteste Tier in der freien Wildbahn. Und seine Sinne sind so geschärft, dass er Menschen aus einer Entfernung von mehreren Hundert Metern wittern kann. Dann taucht er möglicherweise in seinem Revier unter, das bis zu 300 Quadratkilometer gross sein kann. Wie können Wildhüterinnen und Jäger unter diesen Umständen die Zahl der Wölfe so regulieren, wie es die Kantone vorgegeben haben? Urs Büchler, Präsident des Schweizerischen Wildhüterverbands, fasst die Fakten zusammen.
Die Stärken von Wolf und Mensch: Da der Wolf ein nachtaktives Tier ist, sind auch die Wildhüterinnen oft in der Nacht im Einsatz – vielleicht, weil ihnen gerade eine Fotofalle ein Bild eines Wolfes übermittelt hat. Dann greifen sie zu Wärmebild-Beobachtungsgeräten und zu Wärmebild-Zielfernrohren für Gewehre. So lassen sich Tiere auch bei Dunkelheit und über grössere Distanzen orten und erlegen. Unter Jägerinnen und Jägern gilt aber: Sie drücken nur ab, wenn sie ein Tier mit einem gezielten Schuss töten können, sodass es nicht leiden muss. Das ist nur auf eine Distanz bis etwa 200 Meter möglich. Sind sie weiter weg, müssen sie es laufen lassen, auch wenn es ein Wolf ist. Bei der Jagd ist die grosse Stärke des Menschen die Technik, gegen die der Wolf selbst mit seinen feinen Sinnen nicht immer ankommt.
Die Fallstricke: Wölfe können aus dem Nichts auftauchen und einen Tag später bereits wieder verschwunden sein – sie wandern in ihrem Territorium in einer Nacht bis zu 20 Kilometer weit. Meist greifen Wildhüter zur Technik, manchmal, wenn der Wolf ein Tier gerissen hat, nehmen sie aber auch die Fährte im Schnee auf und pirschen sich an ihn heran. Eine Jägerregel jedoch lautet: Wer sich bewegt, ist im Nachteil – man sieht ihn besser und hört ihn eher. Wenn der Boden etwa mit dürrem Laub oder vereistem Schnee bedeckt ist, haben Jäger keine Chance. Manchmal versuchen sie auch den Wolf zu orten, indem sie heulen wie er. Haben sie Glück, wird es der Wolf, der sein Revier verteidigen will, ebenfalls tun.
Die verhängnisvolle Gewohnheit: Wenn Wölfe Nutztiere gerissen, aber nicht ganz aufgefressen haben, kehren sie später oft zurück und vertilgen die Überreste. Das machen sich Jägerinnen zunutze. Sie sitzen an, wie sie es nennen, und warten am Riss auf den Wolf. Diese Methode hat den Vorteil, dass das Tier geschossen wird, das den Schaden verursacht hat. Dafür müssen Jäger aber oft eine ganze Nacht in der Kälte ausharren. Und dreht der Wind so, dass das Tier sie wittern kann, warten sie umsonst. Manche Wölfe können kleinere Tiere wie Lämmer aber auf einmal fressen. Sie kehren nicht mehr zurück, sondern ruhen ein bis zwei Tage in ihrem Lager.
Die Überlebensstrategie: Seit dem 1. Dezember wurden bisher drei Wölfe geschossen. Alle drei waren Jungtiere, die nicht wussten, wo Gefahren lauern. Erfahrene Leitwölfe hingegen haben schon gesehen, was anderen Tieren zum Verhängnis wurde und führen ihr Rudel entsprechend. Sie wissen, dass sie besser ihre Scheu vor dem Menschen bewahren und nicht in die Nähe von Siedlungen vordringen.