100 Prozent Lohn, 100 Prozent angestellt – und doch nur vier Tage arbeiten. Das wird dank des neuen «Flex-Work»-Modells für die Mitarbeitenden eines Hotels in Flims GR ab Sommer möglich sein. Das Adula übernimmt damit eine beispielhafte Vorreiterrolle in der Hotellerie. «Der Ansatz war die Frage, wie wir für eine Generation, die andere Ansprüche an Freizeit, an die Gestaltung, an den Beruf und an die Entwicklung hat, ein attraktiver Arbeitgeber sind», sagt Hotel-Direktor Paul Urchs.
Im Adula haben sich schon 25 von 80 Mitarbeitenden für das Viertagemodell gemeldet. Urchs' Ziel ist es, dass bis in drei Jahren 80 Prozent nach diesem Schema arbeiten.
Hochzeiten gegen die Minusstunden
Die Mitarbeitenden können selbst entscheiden, was sie wollen. Wählen sie das Viertagesmodell, ist das längerfristig. Es wird ein neuer Vertrag ausgestellt, in dem das festgehalten wird. Der Arbeitnehmende arbeitet dann an vier Tagen insgesamt einen halben Tag länger, also eine Stunde pro Tag.
Die entstehenden Minusstunden werden auf einem Stundenkonto gesammelt und in der Hochsaison sowie dank Hochzeiten, Weihnachten oder Silvester meist sowieso automatisch wieder abgebaut.
Anklang bei Gewerkschaft, Verband und Angestellten
Die Gründe für den Vorstoss des Hotels Adula sind neben der Attraktivität auch der Fachkräftemangel in der Hotellerie und Gastronomie. Die Corona-Pandemie setzte und setzt die Branche arg unter Druck. Mitarbeitende liessen sich umschulen, wechselten den Bereich. Hinzu kommen unattraktive Arbeitszeiten, was die Konsequenz nach sich zieht, dass Hotels und Restaurants kaum neues qualifiziertes Personal finden.
Ich glaube, die Viertagewoche wird Schule machen.
Die Viertagewoche im Adula findet Anklang bei der Gewerkschaft, beim Hotellerieverband sowie bei den Angestellten selbst. Zum Beispiel bei Rezeptionist Gieri Albin: «Wir sind uns 10, 11, 12 Stunden gewohnt. Daher ist das kein Problem.» Die Gewerkschaft Unia sieht ebenfalls mehr Vor- als Nachteile. Wichtig sei vor allem, dass die «Flexibilisierung» nicht zulasten der Arbeitnehmenden gehe und dass die vorgeschriebene Ruhezeit von 11 Stunden zwischen zwei Arbeitseinsätzen eingehalten werde.
Ernst Wyrsch, Präsident von Hotellerie Suisse Graubünden, sagt, es sei schier unmöglich, mit den herkömmlichen Arbeitsbedingungen junge Leute für die Küche oder den Service zu begeistern. «Die Viertagewoche ist eine zielgerechte Antwort auf den extremen Mitarbeitendenabfluss, die Zukunft hat. Ich glaube, das wird Schule machen.»
So sieht es in der Schweiz und im Ausland aus
Schule macht es schweizweit noch nicht ganz, auch wenn es immer salonfähiger wird. So gibt es beispielsweise die Schweizer Nagelfabrik AG in Winterthur, die seit 126 Jahren Nägel herstellt. Dort gibt es die Viertagewoche seit sechs Jahren erfolgreich. Noch gehört das Modell aber zu den Ausnahmen.
International sieht es anders aus: Grosskonzerne wie Panasonic, Microsoft oder Unilever kennen das Konzept. In Island haben 86 Prozent der Arbeitenden das Recht auf eine verkürzte Arbeitswoche, in Belgien ist seit Januar 2022 das Anrecht auf einen Tag weniger Präsenz gesetzlich festgehalten, in Spanien läuft eine Testphase und in Grossbritannien ist eine solche geplant.