Er macht Gefühls-Rap statt Gangsta-Rap: Rapper Morow verarbeitet in seinen Texten seine psychischen Probleme. Als Jugendlicher kämpfte der 24-jährige Basler mit Depressionen. «Ich rappe hauptsächlich über meine Vergangenheit und versuche, das Thema zu enttabuisieren», sagt der junge Mann, der mit bürgerlichem Namen Mischa Uebersax heisst.
Bei einer kurzen Pause im Studio in Basel spricht er auch über seine Suizidgedanken damals ganz offen. «Ich habe nie ernsthaft Pläne gemacht, mich umzubringen oder zu verletzen. Aber ich habe daran gedacht: Wie wärs, wenn ich jetzt nicht mehr hier wäre?» Aus der Krise kam Mischa Uebersax dank eines neuen Umfelds und einer Therapie. Heute gehe es ihm gut.
Mehr Fälle bei Beratungsstelle
Hilfe in der Krise bieten auch die Beratungsstellen von Pro Juventute. Etwa 147 in Bern. Im Flur hängen Dankesworte: «Danke, dass ihr gestern da wart, weil ich wollte mir wirklich etwas antun – und jetzt geht es ein bisschen besser.» Beraterin Petra Schneider arbeitet seit vielen Jahren hier.
Sie weiss, wie sie Jugendlichen helfen kann, die sich das Leben nehmen wollen: «Es kommt etwas darauf an, wie konkret es ist. Das frage ich auch immer: Hast du einen Plan oder einen Zeitpunkt, an dem du das machen willst? Ich schaue immer: Ist jemand dort, der dir helfen kann. Oder darf ich jemand vorbeischicken.»
Bereits 98 Mal schickten Petra Schneider oder eine ihrer Kolleginnen dieses Jahr bis im Herbst die Rettungskräfte los. Und: Im ersten Halbjahr 2021 drehten sich deutlich mehr der täglich 700 Beratungen per Chat oder Telefon um das Thema Suizid als vor der Pandemie. Das zeigen neue Zahlen von Pro Juventute, die SRF vorliegen: 2019 waren es drei bis vier Fälle pro Tag, 2021 sieben.
«Was mir auch auffällt: Die Jugendlichen sind jünger geworden. Wir haben zum Teil schon 13-, 14-Jährige, die sich wegen Suizidgedanken melden», sagt Schneider. Die Pandemie belastet Kinder und Jugendliche besonders stark. Die Organisation Pro Juventute, die grösstenteils privat finanziert ist, fordert mehr öffentliche Gelder, um Beratungsstellen wie 147 weiter auszubauen.
Pandemie verschärft Probleme
Ein ähnliches Bild zeigt sich in Zürich, bei der grössten psychiatrischen Klinik für Kinder und Jugendliche der Schweiz. Jugend-Psychiater Gregor Berger leitet dort den Notfall-Dienst. Er sagt: «In der Pandemie werden Themen, die vorher schon ein Problem waren – nämlich der Umgang mit Sozialen Medien, Struktur der Freizeit, Berufsfindung – zur grossen Herausforderung für die Jugendlichen.»
Bei den psychiatrischen Notfällen im Kanton Zürich hatten diesen Frühling deutlich mehr Jugendliche Suizidgedanken, nämlich 84 Prozent der Notfälle. 2019 waren es noch 69 Prozent. Eine deutliche Zunahme zeigt sich auch bei den Selbstverletzungen.
Dies zeigt eine noch unveröffentlichte Studie der Notfälle an der Zürcher Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Laut Gregor Berger sind nicht nur Fachleute und Schulen gefordert.
Auch Eltern können helfen, indem sie den Jugendlichen Struktur geben, etwa bei der Handy-Nutzung. «Trotz Pandemie sollen Kinder in der Nacht schlafen und nicht bis am Morgen um 1 Uhr am Handy sein. Das gehört zu Aufgaben der Eltern: Dort Grenzen setzen», sagt Berger.
Auch Rapper Morow will Jugendlichen mit psychischen Problemen helfen. Indem er offen über seine eigene Geschichte spricht, etwa in Workshops an Basler Schulen. Ihm selbst helfe seine Musik. «Musikmachen ist meine Selbsttherapie – über ein Thema so fest nachdenken, dass man es auf Papier bringen kann und damit dann auch abschliessen.»