Das Tessin ist als Touristenregion die Gewinnerin der Corona-Krise. Besonders beliebt sind die Rustici, die zu kleinen Ferienhäusern umgebauten Ställe. Deshalb hat die Gemeinde Gambarogno eine Sonderaktion unter dem Titel «Verfallenes Rustico für einen symbolischen Franken kaufen» gestartet. Das hat hohe Wellen geschlagen.
Hunderte von Interessenten
Hoch oben am Berg und viele steile Kurven vom See entfernt stehen die verfallenen Steinhäuschen, die für einen Franken zu kaufen sind, sofern man sie stilecht wieder aufbaut. Hunderte von Interessentinnen und Interessenten hätten sich bereits bei der Gemeinde gemeldet. «Wir haben nicht mit so viel Interesse gerechnet», sagt der erstaunte Gemeindepräsident Gianluigi Della Santa. «Vielleicht war auch vielen nicht klar, was das für sie bedeutet, wenn sie so ein Ein-Franken-Rustico kaufen würden.»
Denn der stilechte Umbau der oft ziemlich zerfallenen Gemäuer kostet Zehntausende von Franken. Und er ist langwierig, weil alle Auflagen der Behörden eingehalten werden müssen. Wie viele Rustici genau für diesen symbolischen Franken gekauft werden dürfen, entscheiden die Tessiner Kantonsbehörden in diesem Jahr.
Integration erwünscht
Danach entscheidet das Gemeindeparlament von Gambarogno darüber, wie genau die Rustici umgebaut werden können. Denkbar sei auch, dass nicht einzelne Personen, sondern eine Stiftung den Wiederaufbau des Weilers finanziert, sagt Gemeindepräsident Della Santa. Schliesslich sei das Ziel dieser Aktion, dass das entlegene Stückchen Erde wiederbelebt wird.
Es soll nicht einfach ein Ferienort sein für Menschen, die sich nicht integrieren wollen. «Ich habe nichts gegen Deutschschweizer Touristen, die ein Rustico kaufen. Aber ich sehe es nicht gern, wenn Leute kommen, die überhaupt keine Lust haben, sich zu integrieren, die kein einziges Wort Italienisch reden», stellt Della Santa klar. «Wer ein Ein-Franken-Rustico kauft, muss Lust haben auf die Geschichte des Ortes. Das ist nichts für Menschen, die nur ein Ferienhaus an der Sonne wollen.»
Hunger auf die Steinhäuschen
Vor diesem Hintergrund dürfte der Run auf die Rustici von Gambarogno möglicherweise etwas kleiner werden. Aber der grundsätzliche Deutschschweizer Hunger auf die Häuschen hält an und ist in der Corona-Krise sogar noch grösser geworden.
Darum hat die Tourismusorganisation von Bellinzona und seinen Tälern sogar einheimische Rustico-Besitzer animiert, ihre Steinhäuschen zu vermieten. Und die ersten, die das tun, sollen dafür einen stolzen Batzen bekommen.