«Unter aller Geheimhaltung und Verschwiegenheit» sollte der heute 75-jährige Milizoffizier für den ehemaligen Direktor des Nachrichtendiensts Jean-Philippe Gaudin ein Kontaktnetz aufbauen und Informationen sammeln. So steht es im «Dienstleistungsvertrag», den Gaudin im Frühling 2019 mit dem Zürcher Privatmann klandestin abgeschlossen hatte.
Zwei Jahre lang überwies ihm der Nachrichtendienst jeden Monat 5000 Franken für diese «Beratungstätigkeit».
Der Fall ist viel gravierender
Verteidigungsministerin Viola Amherd erfuhr erst zweieinhalb Jahre nach Vertragsabschluss davon und beauftragte eine Berner Anwaltskanzlei mit einer Untersuchung.
Vor zwei Monaten informierte das VBS über das Resultat: Es liege «kein strafrechtlich relevanter Tatbestand» vor, es seien bloss «interne Weisungen über die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen» missachtet worden, so das VBS. Das klang nach einer Bagatelle. Jetzt kommt raus: Der Fall ist viel gravierender.
«Befremden» bei der Aufsicht
Die Aufsicht des Parlaments über den Nachrichtendienst gebraucht in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Jahresbericht deutliche Worte. «Mit Befremden» habe die sechsköpfige Geschäftsprüfungsdelegation zur Kenntnis genommen, dass der private Berater im Auftrag von Direktor Gaudin Beurteilungen von Parlamentsmitgliedern erstellt habe.
Das ist natürlich ganz klar illegal.
Ein klarer Verstoss gegen das Nachrichtendienstgesetz, hält die Präsidentin der Delegation, die grüne Baselbieter Ständerätin Maya Graf, fest. So habe die vom ehemaligen NDB-Direktor angestellte Privatperson etwa nach den Wahlen 2019 analysiert, ob Mitglieder des Parlaments ihm gegenüber eher hilfreich oder negativ eingestellt wären. «Das ist natürlich ganz klar illegal», sagt Graf.
Denn das Nachrichtendienstgesetz verbietet dem Geheimdienst die Beschaffung oder Bearbeitung von Informationen über politische Tätigkeiten. Zudem kommt mit dem Jahresbericht der Geschäftsprüfungsdelegation ans Licht, dass sich der Berater Gaudins heimlich mit ausländischen Diplomaten und Vertretern internationaler Organisationen getroffen hat.
Gemäss Nachrichtendienstgesetz müsse der Berater deshalb als sogenannte «menschliche Quelle» eingestuft werden, so die Delegation. Quellen aber müssten gemäss der Verordnung zum Nachrichtendienstgesetz einen internen Rekrutierungsprozess durchlaufen, von einem Quellenführer beaufsichtigt werden, und Verteidigungsministerin Amherd müsste jedes Jahr von deren Tätigkeit erfahren.
Nichts davon sei geschehen, sagt Delegationspräsidentin Graf: Der Berater habe zwar wie eine Quelle gearbeitet, sei aber nicht wie eine Quelle geführt worden. «Auch hier wurden Grundsätze nicht eingehalten, welche für die Informationsbeschaffung wichtig und auch gesetzlich vorgegeben sind.»
Stellt sich die Frage, weshalb das VBS in seiner Medienmitteilung vom Dezember kein Wort über all diese Verstösse verloren hat. Das VBS schreibt dazu auf Anfrage: «Wie Sie feststellen können, wurden in unserer Medienmitteilung gar keine Aktivitäten der Person erwähnt. Weder die von ihnen erwähnten, noch andere.»