Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat sich verrechnet. Übel verrechnet. Seine Prognosen, wie hoch die Ausgaben der AHV in Zukunft sein werden, liegen massiv daneben: 2033 dürften die AHV-Ausgaben rund vier Milliarden Franken tiefer ausfallen, als bisher berechnet. Das ist eine Abweichung von rund sechs Prozent. Der AHV geht es also nicht so schlecht wie prognostiziert.
Natürlich ist es schwierig, künftige Ausgaben abzuschätzen. Zahlreiche Faktoren beeinflussen solche Voraussagen, gewisse Ereignisse wie eine Pandemie lassen sich nicht voraussagen. Aber dass während fünf Jahren mit falschen Formeln gerechnet wird und niemand den Fehler feststellt, ist schwerwiegend.
Vertrauen in die Politik schwindet
Die Entscheide der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger stützen sich auf Prognosen des Bundes. Wenn sich herausstellt, dass solche Voraussagen falsch sind, dann untergräbt dies das Vertrauen der Stimmbevölkerung in die Politik massiv. Insbesondere, weil der jüngste Fall kein Einzelfall ist.
So musste das Bundesamt für Statistik im letzten Herbst nach den Nationalratswahlen die Wähleranteile der Parteien nachträglich korrigieren. Auch vor der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform II von 2008 lagen die Schätzungen des Bundes klar daneben: Die Steuerausfälle waren um Milliarden zu tief vorausgesagt worden.
Wenn die Stimmbevölkerung Entscheide aufgrund falscher Prognosen trifft, senkt dies die Legitimität dieser Volksentscheide. So fordern die SP-Frauen heute, die Abstimmung über die Erhöhung des AHV-Alters für Frauen müsse wiederholt werden. 2022 sprachen sich 50.6 Prozent der Stimmenden für die Erhöhung des Frauenrentenalters aus. Doch im Nachhinein zeigt sich, dass sie falsche Informationen über die Entwicklung der AHV-Finanzen erhalten hatten.
Funktionieren des Systems gefährdet
Bisher akzeptieren Verliererinnen und Verlierer in der Schweiz ihre Abstimmungsniederlagen. Dies ist für das Funktionieren des politischen Systems zentral. Doch dafür braucht es Vertrauen in das System. Beispiele aus dem Ausland zeigen, wie gefährlich es ist, wenn das Vertrauen in die Politik fehlt und Niederlagen nicht akzeptiert werden.
Positiv ist, dass das Bundesamt für Sozialversicherungen den Rechnungsfehler selbst festgestellt und transparent darüber informiert hat. Aber dies reicht nicht: Solche Fehler dürfen sich nicht wiederholen.
Seit Jahren baut der Bund seinen Personalbestand aus. Und die Angestellten des Bundes werden im Vergleich mit der Privatwirtschaft überdurchschnittlich gut entlohnt. Dafür dürfen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Gegenzug auch Qualität erwarten – und keine fatalen Rechenfehler.