Die Wohnung oberhalb des Lausanner Bahnhofs ist genau das, was ich suche: Hell, frisch renoviert, zentral gelegen. Und das alles zu einem guten Preis.
«Fast ein bisschen zu schön, um wahr zu sein», denke ich. Trotzdem schreibe ich die Vermieterin an und bin dann zunächst positiv überrascht: Die Google-Streetview-Bilder von der Adresse, die sie mir schickt, und die Bilder vom Inneren der Wohnung scheinen zusammenzupassen. Ein Altbau mit bodentiefen Fenstern, wie man sie in Lausanne und Genf häufig sieht.
Tatsächlich zu schön, um wahr zu sein
Eine detailliertere Bildrecherche zeigt dann aber: Die Wohnung gibt es tatsächlich. Nur liegt sie nicht in Lausanne, sondern im 16. Arrondissement von Paris. Dort wurde sie sogar in einem Magazin für Innenarchitektur vorgestellt.
Um herauszufinden, wie der Betrug funktioniert, verabrede ich mich dennoch zu einem Besichtigungstermin. Die angebliche Vermieterin reagiert erfreut. Ich sei in ihren Augen der ideale Mieter für die Wohnung.
Und dann kommt der Haken: Sie lebe in Lyon und sei schon zweimal vergeblich drei Stunden nach Lausanne gereist, um Interessenten für die Wohnung zu treffen. Die potenziellen Mieter seien dann entweder nicht aufgetaucht oder nicht solvent genug gewesen, um die Wohnung zu finanzieren. Das wolle sie nicht noch einmal erleben. Deshalb müsse ich ihr vor der Besichtigung eine Monatsmiete überweisen. Nur so habe sie Gewissheit, dass ich ernsthaft interessiert sei und die finanziellen Mittel für die Wohnung habe.
Betrügereien vor allem zu Semesterbeginn
Statt das Geld zu überweisen, frage ich bei der Waadtländer Kantonspolizei nach, wie häufig Betrügereien mit gefälschten Wohnungsinseraten angezeigt werden. «Wir registrieren rund 80 Anzeigen pro Jahr, die meisten im Frühherbst und im Winter, jeweils dann, wenn an der Universität Lausanne und der EPFL das Semester beginnt», sagt David Guisolan, Sprecher der Kantonspolizei Waadt. Er sagt auch: Es dürfte eine hohe Dunkelziffer geben.
Guisolan sagt, die Betrüger operierten meist von Afrika aus. Das könnten die Ermittler anhand der IP-Adressen herausfinden. «Sie strafrechtlich zu belangen, ist aber von der Schweiz aus sehr schwierig.»
Mehr Betrugsfälle in der Romandie
Betrügereien mit gefälschten Wohnungsinseraten gibt es auch in der Deutschschweiz. Allerdings sind sie seltener. Bei der Stadtpolizei Zürich heisst es, meist gebe es Anzeigen im einstelligen Bereich pro Monat. Das sind deutlich weniger als im kleineren Lausanne. Möglicherweise ist die Sprachbarriere für die Betrügerinnen und Betrüger aus Afrika in der Deutschschweiz höher.
Zum Schluss schicke ich der angeblichen Vermieterin der Wohnung in Lausanne die Resultate meiner Bildrecherche und frage, wie sie sich erkläre, dass die exakt gleiche Wohnung in Lausanne und in Paris liege. Die Antwort ist so dreist wie die Betrugsmasche: Sie könne sich das auch nicht erklären. Es müsse sich bei den Bildern im Pariser Innenarchitekturmagazin wohl um Fälschungen handeln.