- Im Kanton Waadt gilt seit Anfang November ein Bettelverbot. In den Strassen von Lausanne waren bisher bis zu 100 Bettler anzutreffen.
- Die Mehrheit von ihnen gehört der rumänischen Minderheit der Roma an. Deren Situation ist mit dem Bettelverbot noch schwieriger geworden.
- Ein Verein setzt sich für sie ein. Die Stadt Lausanne hält hingegen eine Rückkehr nach Rumänien für die beste Lösung.
In der Permanence von Opre Rrom, dem Solidaritätsverein für die Anliegen der Roma in Lausanne, wird diskutiert. Etwa 20 Männer, Frauen und Kinder sind an diesem Nachmittag da; weniger als halb so viele wie vor dem Bettelverbot.
Véra Tchérémissinoff, Präsidentin des Vereins, sagt: «Das Verbot hat vieles kaputtgemacht, etwa die Beziehungen zu Helfern und den Kontakt zu Arbeitgebern.» Nicht mehr präsent sein bedeute für die Roma weniger Hilfe von Menschen, die ihnen wohlgesinnt sind, und weniger Gelegenheitsarbeit.
Ein Dutzend Bussen seit Inkrafttreten
Lausanne galt bisher als tolerant gegenüber den Bettlern, anders als etwa Montreux, wo das Betteln schon lange verboten ist. Nun drohen auch hier Geldbussen. Ein Dutzend Bettler wurden bereits gebüsst, darunter Riccardo, ein junger Mann mit braunen Haaren. Er werde aber nicht bezahlen, sondern ins Gefängnis gehen: «Ich habe nichts zu essen, ich kann die Busse nicht bezahlen. Deshalb gehe ich wohl ins Gefängnis – ich weiss nicht, was ich machen soll.»
Die Permanence von Opre Rrom liegt gegenüber der Lausanner Stadtpolizei. Dass Bettler und Polizei hier noch nicht Katz-und-Maus miteinander spielen, liegt auch an den Roma selber. Sie haben versucht, Alternativen aufzubauen.
Polizeidirektor gegen «verschleiertes Betteln»
Wie schwierig das ist, zeigt das Beispiel von Cristea Virginica, die schon vor dem Verbot kunstvoll gebastelte Blumen aus Papier verkauft hat. Dafür beantragte sie nun bei der Stadt Lausanne eine Bewilligung. Vergebens. «Mendicité Déguisé» – verstecktes Betteln – gab die Stadt als Begründung für ihr Nein an. Sie wisse nicht wohin, sagt Virginica, die lange in Italien gelebt hat.
Fälle wie jene der Papierblumenverkäuferin Virginica sind in Lausanne bekannt. Pierre-Antoine Hildbrand von der FDP ist für die Polizei und das Gewerbe zuständig. Es gehe nicht, Blumen als einziges Produkt zu verkaufen. Vielen Käufern gehe es zudem nicht um die Blumen, sondern um die Barmherzigkeit.
Diese Menschen und ihre Kinder haben eine bessere Zukunft in Rumänien.
Aber auch fürs Musikmachen oder Statuen Mimen bekommt man keine Bewilligungen im rot-grün regierten Lausanne. Hildbrand sieht für die Roma denn auch keine Zukunft in Lausanne: «Diese Menschen und ihre Kinder haben eine bessere Zukunft in Rumänien, statt sich ohne Ausbildung und ohne Sprachkenntnisse hier auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten.»
Stellenvermittlung nur selten erfolgreich
Die Roma werden in Rumänien als Minderheit stark diskriminiert. Opre Rrom engagiert sich zwar ebenfalls in einem Dorf in Rumänien. Hauptsächlich sucht der Verein aber in der Waadt Arbeit für die Roma. Und das nicht erst seit dem Bettelverbot. Manchmal gelinge das, sagt Tchérémissinoff, und blättert in einem Ordner mit über 50 Lebensläufen.
«Hier haben wir jemanden, für den wir lange gesucht haben. Er hat jetzt eine Arbeit gefunden, und seine Arbeitgeber sind zufrieden.» Eine Arbeit fanden bisher aber nur wenige der Männer und Frauen in der Permanence von Opre Rrom. Sie haben nach dem Bettelverbot nicht einmal genug Geld für die Notschlafstellen in Lausanne. Das Bettelverbot hat das Strassenbild von Lausanne verändert, die Bettler sind weg – aber ihre Probleme bleiben.