Jörg Schläpfer, Leiter der Makroökonomie beim Immobilien-Beratungsunternehmen Wüest Partner, erklärt in der NZZ am Sonntag die Prognose seines Unternehmens. Die Schweiz wird beim Bevölkerungswachstum im Jahr 2023 den Berechnungen von Wüest Partner zufolge in neue Sphären vorstossen. Mit einer Zunahme von 148'000 Personen entspreche der Zuwachs in etwa der Einwohnerzahl von Bern.
Bereits ein grosser Zuwachs im Vorjahr
Auf 55'000 Haushalte verteilt haben im vergangenen Jahr 74'000 Personen mehr in der Schweiz gelebt. Ein Wachstum der ständigen Wohnbevölkerung in dieser Grössenordnung hat der Bund fürs Jahr 2023 prophezeit. Wegen Sondereffekten, die zum Zeitpunkt der Rechnung des Bundes noch nicht abzuschätzen waren, weicht die Zahl von jener von Wüest Partner deutlich ab. Zu den Sondereffekten zählen beispielsweise der Krieg in der Ukraine oder die Corona-Pandemie.
Erst noch im Jahr 2010 sagte das Bundesamt für Statistik voraus, dass die Schweiz erst im Jahr 2055 die Schwelle von 8.9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern erreichen wird. Die Realität ist eine andere. Auch die Schwelle der 10-Millionen-Schweiz dürfte Prognosen von Hans R. Holdener, CEO der Helvetica Property Group, zufolge bereits in zehn Jahren und nicht erst 2040 erreicht werden. Das löst vor allem Probleme bei der Wohnungsnachfrage aus. Nachfrage und Angebot würden je länger je mehr aus dem Gleichgewicht fallen.
Wer sind diese 148'000 Personen?
Der Geburtenüberschuss von rund 8000 Menschen macht keinen grossen Anteil am Wachstum der Schweizer Einwohnerinnen und Einwohner aus. Viel mehr schlägt sich der Fachkräftemangel nieder. Dem Prognosemodell von Wüest Partner zufolge ergibt sich eine Nettozuwanderung von 91'000 Arbeitskräften.
Dazu zählen 48'000 Ukrainerinnen und Ukrainer neu zur ständigen Schweizer Wohnbevölkerung. Schläpfer geht bei diesen Menschen aber von einem zeitlich begrenzten Effekt aus und rechnet damit, dass künftig ein Teil der Geflüchteten wieder in die Ukraine zurückkehren wird.
Agglomeration wächst am schnellsten
Als Wachstumsregionen gelten die Agglomerationen von grossen Städten, denn zumeist richten sich die Menschen nach den Jobangeboten. Da bleibt es für die Bergregionen, auch aufgrund schwach ausgebauter Infrastruktur, künftig schwer. Zudem wird auch im Tessin ein eher kleines Wachstum oder gar ein Rückgang der ständigen Wohnbevölkerung erwartet, da unter anderem italienische Staatsbürger vermehrt in ihre Heimat zurückkehren.