Smartphone zücken, App öffnen und eine Rechnung begleichen oder einer Person Geld schicken: Digitale Zahlungsmittel sind auf dem Vormarsch. Die Nutzung von Twint ist beispielsweise im vergangenen Jahr um 50 Prozent gewachsen. Die Bezahl-App ist ab dem Alter von 12 Jahren freigegeben.
Die Pandemie hat den Wechsel von Bargeld zu digitalen Zahlungsmitteln beschleunigt – bei allen Generationen. Geld ausgeben ist heute so leicht wie nie zuvor. Das birgt auch Risiken. Denn die Frage, wie Kinder und Jugendliche im digitalen Zeitalter den Umgang mit Geld lernen sollen, beschäftigt die kantonalen Schuldenberatungsstellen.
Neue Herausforderung für Eltern und Kinder
Gerade Kinder stellt das «abstrakte» Geldausgeben vor Herausforderungen, wie Nadine Kaufmann von der Budget- und Schuldenberatung Aargau-Solothurn betont: «Eine Karte, die zu einem Konto gehört oder auch Bezahl-Apps wie Twint – das können Kinder noch nicht verstehen.»
Auch heute bekommen Kinder noch zum Geburtstag vom Götti oder dem Grossvater einen Fünfliber in die Hand gedrückt. Doch was passiert, wenn das Bargeld einmal ganz verschwindet? Bekommen Kinder dann schon von kleinauf eine Bankkarte oder haben eine App, auf die das Sackgeld einbezahlt wird? «Das sind Themen, die uns beschäftigen», erklärt Kaufmann.
Das Konsumverhalten verändert sich
Heute sind Steuerschulden die häufigste Art der Verschuldung in der Schweiz – auch bei jungen Erwachsenen. Zu spüren bekommen die Schuldenberatungsstellen aber auch die Auswirkungen des digitalen Bezahlens. «Die Möglichkeit, heute zu beziehen und morgen zu bezahlen, hat Einfluss auf das Budget und das Konsumverhalten», sagt die Präventionsexpertin.
Mittels Apps findet der Zahlungsvorgang noch unbewusster statt. Es wird nicht einmal mehr eine Karte aus dem Portemonnaie geholt. Umso wichtiger ist heutzutage die Kompetenz, die Übersicht über das eigene Geld und die einzelnen Budgetposten zu behalten. «Um den Konsumangeboten zu widerstehen, braucht es Finanzkompetenz, Selbstkontrolle und Reflexionsfähigkeit», sagt Kaufmann.
Im Alltag mit verschuldeten Jugendlichen erlebt die Beraterin auch immer wieder Wut auf die eigenen Eltern. Der Vorwurf: Der Umgang mit Geld sei ihnen zuhause nie beigebracht worden. Dazu komme oft ein starker Druck aus dem Umfeld, gewisse Konsumgüter zu besitzen.
Das können Eltern tun
Fazit: Heute wie damals muss der Umgang mit Geld erlernt werden. Nur ist es heute ungleich komplizierter, dies zu meistern. «Grundsätzlich empfehlen wir, dass zuhause über Geld und die anfallenden Lebenskosten gesprochen wird», so Kaufmann. «Hier haben die Eltern mit ihren Werthaltungen und Kaufentscheiden eine wichtige Vorbildfunktion.»
Die Budget- und Schuldenberatung empfiehlt, das Sackgeld im Primarschulalter bar auszuzahlen. Apps wie Twint bieten auch die Möglichkeit, eine Ausgabenlimite einzustellen. Auch darüber sollen Eltern mit ihren Kindern konkrete Vereinbarungen treffen.
Zudem bietet sich für Jugendliche neben Taschengeld das Konzept des «Jugendlohns» an: Sie bekommen dadurch Geld für notwendige Ausgaben wie das Handyabo, Kleider oder ÖV, das sie selber einteilen müssen. «So lernen sie abzuwägen zwischen notwendigen Anschaffungen und Wünschen», schliesst Kaufmann.