Mit André Wyss übernimmt ein branchenfremder Manager die Führung des Verwaltungsrats der SBB. Der aktuelle Chef des Baukonzerns Implenia und frühere Novartis-Manager hat keine Erfahrung im öffentlichen Verkehr. Dennoch wählte der Bundesrat Wyss als obersten Chef des grössten Bahnunternehmens der Schweiz. Was bedeutet das für das Unternehmen und seine Mitarbeitenden? HR-Experte Matthias Mölleney schätzt den Entscheid ein und nennt Chancen und Risiken.
SRF News: Können Sie die Wahl von André Wyss als Verwaltungsratspräsident der SBB nachvollziehen?
Matthias Mölleney: Ich kenne Herrn Wyss nicht. Ich kann auch das Gremium nicht einschätzen. Wir müssen die Entscheidung im Kontext des ganzen Gremiums betrachten. Denn André Wyss ist ja nicht alleine an der Spitze. Wichtig ist, ob er für das Gremium die richtige Ergänzung ist.
Entscheidend ist, dass der Verwaltungsrat als Gremium über die notwendigen Fachkenntnisse verfügt.
Die Frage ist: Braucht das Gremium dringend Bahnerfahrung, oder gibt es andere Fähigkeiten, die derzeit wichtiger sind?
Wie wichtig ist es, dass ein Verwaltungsratspräsident, eine Verwaltungsratspräsidentin, Branchenwissen mitbringt?
Branchenwissen ist schon wichtig. Ein Verwaltungsrat muss das operative Geschäft verstehen, sonst ist es schwierig.
Entscheidend ist, dass der Verwaltungsrat als Gremium über die notwendigen Fachkenntnisse verfügt.
Allerdings kann fehlendes Fachwissen im Gremium kompensiert werden, wenn dieses bei anderen Verwaltungsratsmitgliedern gut vertreten ist. Entscheidend ist, dass der Verwaltungsrat als Gremium über die notwendigen Fachkenntnisse verfügt.
Ist die Wahl eines branchenfremden Verwaltungsratspräsidenten eher eine Chance oder ein Risiko für die SBB?
Es ist eine Frage der Balance. Mein früherer Chef hat mal gesagt: Irgendjemand hat das Wasser erfunden – es war ganz sicher kein Fisch. Wenn man sich zu sehr mit der Materie auskennt, dann gibt es zu wenig Einflüsse von aussen. Wenn man sich aber zu wenig auskennt und praktisch nur Einfluss von aussen hat, funktioniert es auch nicht.
Die SBB-Mitarbeitenden erwarten, dass ihre Führung ihre Sprache spricht und ihre Anliegen versteht.
Hat das Einfluss auf die 35'000 SBB-Mitarbeitenden, wenn ihr oberster Chef keine Erfahrung als Bähnler hat?
Die Mitarbeitenden der SBB sind stolz darauf, Bähnler zu sein. Sie erwarten natürlich, dass ihre Führung ihre Sprache spricht und ihre Anliegen versteht. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel ist es wichtig, dass der Verwaltungsrat von den Mitarbeitenden als jemand wahrgenommen wird, der sie versteht und sich für sie einsetzt.
Das Gespräch führte Nina Gygax.