Zwei Tage Vorbereitung. Dann ist Brian Keller frei. Das machte der Richter bei der Urteilseröffnung am Bezirksgericht Dielsdorf klar. Doch um nach solch einer langen Haft wieder im Alltag Fuss zu fassen, braucht Brian wohl sehr viel mehr Zeit.
«Es ist alles neu», sagt Giorgio Lörtscher. Der heute 30-Jährige sass mehrere Jahre in Haft. In der Jugendvollzugsanstalt (JVA) Pöschwies traf er auch auf Brian, den er bereits aus der Zeit vor dem Knast kannte. Giorgio wurde schon vor einiger Zeit aus der Haft entlassen. Der Weg zurück war hart: «Du bist vorbestraft und bekommst keinen Job, auch weil es immer besser qualifiziertes Personal gibt. Du stehst ganz hinten an.»
Wirtschaftliche und soziale Herausforderungen
Die Organisation ZSGE in Zürich hat sich darauf spezialisiert, Menschen, die aus dem Gefängnis entlassen werden, in ein konfliktfreies Leben zu begleiten. Doch das gelinge längst nicht bei allen ohne Weiteres: «Das Wichtigste ist, dass die Klientin oder der Klient Bereitschaft dafür zeigt, diesen Weg zu gehen», sagt ZSGE-Geschäftsführer Edgar Rutishauser.
Ex-Häftlinge hätten verschiedene Herausforderungen zu bewältigen. So müsse man erstmal wirtschaftlich in der Lage sein, eine Wohnung zu bezahlen. Ausserdem könne es herausfordernd sein, wieder ein soziales Netzwerk aufzubauen. Einrichtungen wie die der ZSGE, etwa für betreutes Wohnen, sollen die ehemaligen Gefängnisinsassen unterstützen.
«Er ist eine Blackbox»
Brian Keller war nach verschiedenen Gewalttaten seit frühester Jugend lange Jahre hinter Gittern. Wird es ihm gelingen, in Freiheit zu leben, ohne rückfällig zu werden? Genaue Prognosen wurden nicht erstellt, hiess es am Gericht.
Der forensische Psychiater Marc Graf wagt keine Prognose: «Herr Keller ist aufgrund seiner Verweigerung der Begutachtung und soviel ich weiss auch weitgehend von Therapien eine gewisse Blackbox.» Statistisch sei die Wahrscheinlichkeit, dass er mit schweren Straftaten rückfällig wird, klein.
Die Anwälte von Brian hoffen auch, dass die Öffentlichkeit ihm die Resozialisierung nicht noch schwerer macht. Verteidiger Philip Stolkin appelliert an die Medienschaffenden, seine Privatsphäre zu respektieren: «Wichtig ist, dass er mit seiner Familie sein kann. Ohne Presse». Er müsse sein Leben neu beginnen, «und das wird er schaffen».
An seiner Stelle würde ich mich erstmal isolieren. Raus in die Natur. Ins Thermalbad.
Der ehemalige Gefängnisinsasse Giorgio Lörtscher sagt, er habe nach seiner Freilassung vor allem Glück gehabt. So hätte er auch gleich eine Freundin gehabt, die ihn finanziell unterstützen konnte.
Seinem ehemaligen Mitinsassen Brian wünscht Lörtscher, dass dieser sich in Freiheit gut zurechtfindet: «An seiner Stelle würde ich mich erstmal isolieren. Keine Freunde aufsuchen. Die Freiheit geniessen. In die Natur. Ins Thermalbad.»