«Mir ist wichtig, dass die Öffentlichkeit die Wahrheit erfährt zu den sogenannt besonders tierfreundlichen BTS-Ställen», erklärt der Brancheninsider seine Motivation, «Kassensturz» Filmmaterial aus dem Inneren solcher Ställe zuzuspielen. Der Insider arbeitete mehrere Jahre in der Geflügelbranche und will aus Furcht vor Repressalien anonym bleiben.
Seine Bilder stammen aus verschiedenen BTS-Mastbetrieben und gehen ans Herz: «Bereits nach wenigen Tagen haben viele Küken Gelenkprobleme, weil sie sehr schnell wachsen. Viele Tiere können sich nicht mehr richtig bewegen, haben Schmerzen und oft verdursten sie auch, weil sich gar nicht mehr an die Wasserspender gelangen können».
Amtliche Bezeichnung für Marketingzwecke
«Besonders Tierfreundliche Stallhaltung» oder kurz BTS ist eine amtliche Bezeichnung des Bundes. Das Bundesamt für Landwirtschaft hat die Bezeichnung 1996 eingeführt – im Rahmen der Direktzahlungsverordnung für Landwirte bei der Fleischproduktion. Landwirte, welche Hühner in Ställen nach BTS-Vorgaben mästen, erhalten vom Bund bis zu 20'000 Franken Direktzahlungen jährlich.
«Insbesondere bei Masthühnern ist BTS für uns nicht besonders tierfreundlich», stellt auch Cesare Sciarra, Experte für Nutztierhaltung beim Schweizer Tierschutz (STS) klar. Dem Detailhandel sei es zwar gesetzlich erlaubt, den amtlichen Begriff aus der Direktzahlungsverordnung auf ihre Verpackungen zu drucken. Es sage aber nur bedingt etwas darüber aus, wie tierfreundlich diese Ställe wirklich sind.
Die Hühner in BTS-Ställen wachsen sehr, sehr schnell und können nur noch schwer gehen, haben Schmerzen.
Denn, so Cesare Sciarra: «In unserem eigenen Tierwohlrating, das von A bis D reicht, geben wir BTS-Hühnerställen nur ein C. Weil die Hühnerrassen, die dafür verwendet werden, sehr, sehr schnell wachsen und binnen 30 Tagen auf fast 2 Kilogramm hochgemästet werden. Sie können nur noch schwer gehen, haben Schmerzen, das ist für uns nicht mehr wirklich Tierschutz.»
Hühner können Aussenbereich oft nicht nutzen
Damit Landwirte die Direktzahlungen vom Bund erhalten, müssen BTS-Ställe über erhöhte Sitzplätze und eingestreute Bodenflächen verfügen. Die Tiere erhalten Frischluftzufuhr und natürliches Tageslicht, sowie Zugang zu einem geschützten Aussenbereich.
Die Hochsitze würden jedoch oft hochgeklappt, damit die Landwirte sie nicht reinigen müssten, sagt der Brancheninsider. Und auch der Aussenbereich sei bis zum 21. Lebenstag der Tiere fakultativ. «Danach sind die Tiere aber oft zu schwer, als dass sie den Aussenbereich aus eigener Kraft noch erreichen können», so der Insider weiter. Und: «Der Aussenbereich muss erst ab 6 bis 8 Grad Aussentemperatur geöffnet werden. Viele Tiere, welche im Winter gemästet werden, sehen diesen Bereich keinen einzigen Tag.»
Migros verzichtet auf BTS-Auslobung
Weder Migros, Coop, Lidl und Aldi, noch der Verband der Schweizer Geflügelproduzenten wollten «Kassensturz» in einem ihrer BTS-Ställe filmen lassen. Auch zur Kritik an BTS wollte kein Unternehmen Stellung nehmen. Immerhin: Migros schreibt «Kassensturz», dass sie auf die Bezeichnung «Besonders tierfreundliche Stallhaltung» auf den Verpackungen verzichten will. Auch Lidl will die Auslobung überprüfen.