Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis reist heute, Donnerstag, nach Berlin und trifft dort die gesamte deutsche Führungsschicht: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz und Aussenministerin Annalena Baerbock. Mitte-Ständerat Pirmin Bischof, der die Aussenpolitische Kommission des Ständerats präsidiert, erwartet einiges vom Treffen.
SRF News: Wie wichtig ist die Reise von Bundespräsident Ignazio Cassis nach Berlin?
Pirmin Bischof: Wenn der Schweizer Aussenminister nach Berlin reist, ist das kein Routinebesuch. Deutschland ist das wichtigste Mitglied der EU und gleichzeitig mit Abstand unser wichtigster Handelspartner.
Das ist kein Routinebesuch.
Die Schweiz hat also ein grosses Interesse daran, mit der neuen deutschen Regierung ein gutes Verhältnis aufzubauen. Nach so langer Zeit mit einer CDU/CSU-Regierung ist es besonders wichtig für die Schweiz, mit den Personen der neuen Regierungskoalition rasch persönliche Beziehungen aufzubauen.
Wo liegen die derzeitigen Herausforderungen im deutsch-schweizerischen Verhältnis?
Vor zehn Jahren, während des Steuerstreits mit Deutschland, war ich Präsident der ständerätlichen Wirtschaftskommission – damals war das Verhältnis etwas schwierig. Inzwischen sind diese Probleme gelöst. Die Schweiz hat jetzt mit Deutschland im Grossen und Ganzen ein sehr gutes Verhältnis.
Es besteht die Hoffnung, dass die deutsche Regierung so etwas wie eine Brückenbauerin nach Brüssel sein kann.
Unser Problem besteht nicht mit Deutschland – sondern mit der Europäischen Union. Und Deutschland ist wohl jenes Land, welches uns am nächsten ist mit dem Gewicht, welche es in der EU-Kommission einbringen kann. Gottlob also ist unser Verhältnis zu Deutschland ausgezeichnet – und es besteht die Hoffnung, dass die deutsche Regierung so etwas wie eine Brückenbauerin nach Brüssel sein kann.
Wie zentral ist Deutschland beim Neustart der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU?
Deutschland ist tatsächlich zentral bei der Beantwortung der Frage, wie es der Schweiz nach Abbruch der Verhandlungen für ein Rahmenabkommen gelingt, das bilaterale Verhältnis mit der EU zu stabilisieren. Sicher sind dabei auch Frankreich und Italien wichtige Länder, doch Deutschland ist das grösste und wichtigste Land in der EU.
Was sollte Cassis bei seinem Besuch in Berlin versuchen zu erreichen?
Ich hoffe, es gelingt ihm, mit Aussenministerin Annalena Baerbock und Bundeskanzler Olaf Scholz eine Beziehung aufzubauen, um zunächst das Gespräch aufnehmen zu können.
Ich hoffe, es gelingt Cassis, zu erklären, weshalb wir die bilateralen Verträge weiterführen und keine institutionelle Integration in die EU wollen.
Auch hoffe ich, es gelingt Cassis, den deutschen Partnern die Schweiz und ihre direkte Demokratie zu erklären und klarzumachen, weshalb wir die für beide Seiten derart erfolgreichen bilateralen Verträge weiterführen möchten. Dazu gehört auch zu erklären, warum wir keine institutionelle Integration in die EU möchten. Dafür hat Cassis gute Argumente – und es sollte ihm gelingen, sie einem sachorientierten deutschen Partner zu veranschaulichen.
Das Gespräch führte Elmar Plozza.