Dass der Bundesrat innerhalb von nur gerade vier Tagen völlig seine Meinung ändert – das hat es wohl noch nie gegeben. Und dass die Landesregierung Sanktionen der EU gegen einen kriegführenden Staat eins zu eins übernimmt, auch nicht.
Noch am Donnerstag war der Bundesrat der Ansicht, die guten Dienste der Schweiz und ihre mögliche Rolle als Vermittlerin im Ukraine-Krieg seien unvereinbar mit Sanktionen. Der Entscheid trug ihm heftigste Kritik von (fast) allen Seiten ein: Die USA, die EU, alle Schweizer Parteien ausser der SVP, eine Kommission des Nationalrats – sie alle forderten ein sofortiges Umdenken. Unter diesen Umständen blieb dem Bundesrat realpolitisch gar nichts mehr anderes übrig, als eine spektakuläre Kehrtwende zu beschliessen.
Totale Abkehr
Mit der vollständigen Übernahme aller EU-Sanktionen gegen Russland leitete der Bundesrat eine totale Abkehr von seiner bisherigen Strategie ein, welche auf Dialog gesetzt hatte, immer auch mit dem Verweis auf die Schweizer Neutralität.
Neu folgt der Bundesrat der Taktik der USA und der EU, die mit Daumenschrauben operieren. Aggressor Wladimir Putin und seinem Umfeld soll das Leben so lange schwer gemacht werden, bis der russische Machthaber entweder selbst in die Knie geht und die Kriegshandlungen einstellt oder von seinem eigenen Volk dazu gezwungen wird.
«Dialog kann erst einsetzen, wenn die Spirale der Gewalt gebrochen und einem echten Willen für Friedensgespräche gewichen ist», hat Bundespräsident Ignazio Cassis an der Medienkonferenz vom Montag festgestellt. Eine bemerkenswerte Aussage, die nur heissen kann: Zuerst muss Russland nachgeben, erst danach wird wieder verhandelt.
Riskantes Spiel
Sollte diese Strategie aufgehen, kann die ganze Welt aufatmen. Scheitert sie jedoch, könnte das Ganze in einem Desaster enden. Auf die ersten Sanktionen der EU hat der russische Präsident bekanntlich mit der Ankündigung reagiert, seine Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft zu versetzen. Was Putin tun wird, wenn er sich weiter in die Enge getrieben fühlt, kann niemand voraussehen.
Wieso man bei dieser Ausgangslage nicht auf eine Doppelstrategie gesetzt hat – mit scharfen internationalen Sanktionen und gleichzeitigen Verhandlungsbemühungen der neutralen Schweiz, die aufgrund ihres Schutzmachtmandats für Russland in Georgien über einen besonderen Zugang zum Kreml verfügt – vermögen nur die Schaltzentralen in Washington und Brüssel zu beantworten.
Die internationale Staatengemeinschaft setzt alles auf eine Karte. Die Schweiz vermag nicht mehr abseits zu stehen, ohne ihrerseits unter massiven Druck zu geraten. Jetzt kann die Weltöffentlichkeit nur noch hoffen, dass das gut kommt.