Die Schweiz tut sich schwer mit dem Atombomben-Verbot der UNO. Ein Abkommen von 2017, das Entwicklung, Herstellung, Tests, Lagerung, Besitz, Kauf und natürlich den Einsatz von Atomwaffen verbietet.
Eine widersprüchliche Haltung, denn zunächst hatte sich die Schweizer Diplomatie aktiv an der Ausarbeitung des Vertrags beteiligt. Anschliessend hiess Bern das Ergebnis gut, doch unterzeichnet und ratifiziert wurde dann nicht. Zwar fordern National- und Ständerat den Bundesrat dazu auf, aber dieser hatte dafür bisher kein Gehör.
Nun macht die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican) Druck. Am Montagnachmittag richtete sie in Bern gemeinsam mit Schweizer Persönlichkeiten einen dringlichen Appell an den Bundesrat.
Für Beatrice Fihn, Chefin der Ican, ist klar: «Die humanitären Werte der Schweiz hängen mit dem internationalen Recht zusammen. Der Beitritt wäre der natürliche Schritt für die Schweiz.»
Tatsächlich sind Atombomben mit dem humanitären Kriegsvölkerrecht unvereinbar, da sie nicht zwischen Kämpfern und Zivilpersonen unterscheiden. Ein Grund, warum sich das Internationale Komitee vom Roten Kreuz vehement für das Verbot einsetzt und sein früherer Präsident Peter Maurer das Abseitsstehen der Schweiz scharf kritisiert. Aber auch Ex-Bundesrätinnen, etliche Stadtpräsidenten, renommierte Spitzendiplomaten und Wissenschaftlerinnen appellieren an den Bundesrat, seinen Widerstand aufzugeben.
Die Befürchtung der Landesregierung, dass eine Zustimmung zum Atombomben-Verbot die Zusammenarbeit mit der Nato gefährden würde, lässt die Chefin der Ican nicht gelten: «Auch Österreich, Irland oder Neuseeland kooperierten mit der Nato.» Dennoch hätten sie wie bald 100 weitere Staaten das Abkommen unterzeichnet, ohne Beeinträchtigung ihrer Verbindungen zur westlichen Militärallianz, sagt Fihn.
Atomare Abschreckung gegen Putin?
Befürworter der atomaren Abschreckung finden, jetzt da Russland mit Atomschlägen drohe, sei es der falsche Zeitpunkt für eine nukleare Abrüstung. So bezeichnete doch auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Moskaus Atomdrohungen als gefährlich.
Stoltenberg kündigte massive Reaktionen an, falls Moskau Atomwaffen einsetze. Er hütet sich aber, selber Atomdrohungen zu äussern.
Die Existenz von Atomwaffen ist wieder voll ins Bewusstsein gerückt. Man dürfe diese Gefahr nicht länger hinnehmen und auf das Glück vertrauen, sagt Ican-Chefin Fihn. «Niemand glaubt, dass UNO-Abkommen von 2017 werde in Bälde zur Totalabschaffung aller Atomwaffen führen. Dennoch müssen sie zumindest stigmatisiert werden, genauso wie Chemiewaffen oder biologische Massenvernichtungswaffen.»
Ob der heutige Appell Erfolg hat, sollte sich Anfang nächsten Jahres zeigen. Dann erhält der Bundesrat den Bericht interner und externer Fachleute zur möglichen Zustimmung zum Atombomben-Verbot. Und dann kann sich die Regierung kaum noch um eine Entscheidung drücken.