Im Kleinen kommt der Bundesrat zwar entgegen, zum Beispiel Sportlern, Fachgeschäft-Besitzerinnen und Soldaten. So sollen voraussichtlich schon Anfang Mai Sportarten mit wenig Körperkontakt dank Schutzkonzepten wieder erlaubt sein. Grossverteiler müssen entgegen einem ersten Bundesratsbeschluss doch bis zum 11. Mai weiterhin einen Teil ihres Sortiments abdecken – das freut die geschlossenen Fachgeschäfte, die so weniger Konkurrenz erhalten. Und wer länger Assistenzdienst geleistet hat, beispielsweise in den Sanitätstruppen, dem werden dafür neu bis zu zwei Wiederholungskurse erlassen.
Auf Goodwill angewiesen
Der Bundesrat zeigt sich lernfähig. Mit kleinen Schritten zu mehr Gerechtigkeit versucht er aber auch, den Goodwill der Bevölkerung zu erhalten. Weil er nämlich den grösseren Forderungen seiner Kritiker eine Absage erteilt.
Die bürgerlich dominierte nationalrätliche Wirtschaftskommission zum Beispiel möchte am 27. April alle Läden wieder öffnen, und ab 11. Mai gar alle öffentlich zugänglichen Einrichtungen, auch kleinere Veranstaltungen will sie ermöglichen.
Doch das wäre ein Spiel mit dem Feuer. Denn nach zwei Wochen sind noch keine gesicherten Erkenntnisse vorhanden über die Auswirkungen des ersten Öffnungsschrittes auf die Gesundheit. Dafür braucht es rund einen Monat, wie bisherige Erfahrungen zeigen.
Nicht nachlassen
Diese Kritik trifft natürlich auch den Bundesrat, der sogar nur zwei Tage nach dem ersten Öffnungsschritt über den zweiten Schritt definitiv beschliessen möchte. Doch je kleiner der erste Schritt ist, umso kleiner ist auch die Gefahr eines nicht erkannten, steilen Wiederanstiegs der Krankenzahlen. Umgekehrt ist diese Gefahr grösser, je mehr in schneller Folge wieder geöffnet wird.
Die Ruferinnen und Rufer nach einer schnellen, breiten Öffnung berufen sich dabei nicht nur auf Wirtschaftsinteressen, sondern auch auf die Bevölkerung. Nur: Umfragen zeigen einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung für die schrittweisen Lockerungen des Bundesrates. Die Nöte der Wirtschaft sind zwar verständlich: Die Corona-Krise trifft Unternehmen samt ihren Angestellten hart. Doch ein zweiter Peak, der wieder harte Massnahmen nötig machen würde, würde dieses Elend noch vergrössern.
Darum appelliert der Bundesrat auch an die Bevölkerung, nicht nachzulassen bei der persönlichen Disziplin. Homeoffice, Distanz, Hygiene und der Verzicht auf gesellige Treffen in grösserer Gruppe bleiben das Gebot der Stunde. Dadurch, so die Hoffnung, könnten die Zahlen der Neuinfektionen so stark weiter sinken, dass es wieder möglich wird, die Kontakte jeder neu erkrankten Person zurückzuverfolgen und sie in die Isolation beziehungsweise in die Quarantäne zu schicken. Das würde bedeuten: Die Pandemie wäre unter Kontrolle.
Strategie umsetzen
Um dies zu ermöglichen, hat der Bund nun endlich auch die Teststrategie angepasst: Alle mit Symptomen sollen sich nun testen lassen. Auch eine App, welche die Kontakte von Infizierten auf freiwilliger Basis warnen würde, ist ab Mitte Mai bereit. Schutzmasken, die vor der Pandemie in unverantwortlicher Weise entgegen den Empfehlungen nicht vorrätig waren, treffen nun millionenfach ein.
Schrittweise Öffnung, Tests, Zurückverfolgen der Ansteckungsketten und mehr Masken: Mit dieser Strategie setzt der Bundesrat um, was der Präsident der Wissenschafts-Taskforce vor rund drei Wochen skizziert hat. Eine Garantie auf Erfolg ist das nicht. Aber immerhin eine gute Voraussetzung.