Darum geht es: In seiner «Gesamtschau zur mittelfristigen Weiterentwicklung der Agrarpolitik» sieht der Bundesrat mehr Ökologie, mehr Subventionen und weniger Grenzschutz vor. Im Rahmen von Handelsabkommen möchte er die in- und ausländischen Agrarmärkte weiter öffnen – ein Reizthema bei den Schweizer Landwirten. Seit Monaten haben sich Bauernvertreter auf Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann eingeschossen. Viel Geschirr wurde zerschlagen, zwischenzeitlich herrschte sogar Funkstille zwischen Bauern-Lobby und Bundesrat.
Zurück an den Absender: In einer emotionalen Debatte hat der Nationalrat die Pläne des Bundesrats zerpflückt. Den Höhepunkt der «Chropfleerete» bildete die Rückweisung des Berichts an den Bundesrat. Der Beschluss fiel mit 108 zu 74 Stimmen. Der Auftrag an die Regierung: Die heute eingebrachte Kritik aufnehmen, bevor sie eine neue Agrarpolitik durchsetzt.
Der Bericht ist für die ganze Schweizer Landwirtschaft ein Schlag mitten ins Gesicht.»
Die Reaktion: «Ich nehme es nicht persönlich», sagte Bundesrat Johann Schneider-Ammann zu Radio SRF. Man habe wohl zu viel in die Gesamtschau zur Agrarpolitik hineingepackt und zu schlecht erklärt, worum es eigentlich gehe, gibt er sich selbstkritisch. «Wenn man arbeitet, gibt es Fehler. Und wenn man Fehler macht, muss man dazu stehen und muss sie korrigieren.» Im Grundsatz will Schneider-Ammann aber an der geplanten Öffnung der Agrarmärkte und dem Abbau des Grenzschutzes festhalten: «Das Land ist gross geworden wegen seiner Liberalität. Mich bringen sie von dieser Liberalität selbstverständlich nicht weg.»
Die Debatte: Markus Ritter (CVP/SG), Präsident des Bauernverbands, stösst sich im Bericht vor allem am Abbau des Grenzschutzes: «Damit würden der Schweizer Landwirtschaft rund 800 Millionen bis eine Milliarde Franken an Wertschöpfung verloren gehen. Dies würde auf unsere Einkommen durchschlagen.» Es gelte den Bericht des Bundesrats gründlich zu überarbeiten: «Die nationale Agrarpolitik und die internationale Handelspolitik sind zu trennen.»
Auch Landwirt Toni Brunner (SVP/SG) sah im Bericht «keine taugliche Grundlage» für die nächste Agrarreform: «Von der internationalen Komponente, die diesen Bericht dermassen dominiert, ist abzusehen.» Das sei kein Präjudiz für oder gegen Freihandel, fügte Brunner an. Doch diese Frage sollte separat behandelt werden.
Der Landwirt Marcel Dettling (SVP/SZ) drückte sich weniger diplomatisch aus: «Der Bericht ist für die ganze Schweizer Landwirtschaft ein Schlag mitten ins Gesicht.»
Martin Landolt (BDP/GL) befand: «Wir wollen die Agrarpolitik auf inhaltlich anderen Beinen.» Das bedeute aber kein Nein zu Mercosur, dem Freihandelsabkommen mit südamerikanischen Staaten, das Schneider-Ammann forciert.
Eine Rückweisung hat keine rechtliche Bindung für den Bundesrat. Das ist eine Übung fürs Schaufenster.
Beat Walti (FDP/ZH) warf den Bauernvertretern vor, sich eine Machtprobe mit dem Bundesrat zu liefern statt konstruktiv mitzuarbeiten: «Die interessierten Kreise haben nicht nur die Messer gewetzt, sie haben ein eigentliches Kesseltreiben veranstaltet, als ob es bereits um die Weichenstellung der künftigen Agrarpolitik geht.» Das sei aber nicht der Fall, beschwichtigte Walti: Die Politik werde erst noch gemacht, konkret mit der Agrarpolitik 2022+.
Auch für Beat Jans (SP/BS) betrieben die Gegner der Gesamtschau einen Kampf gegen Windmühlen: «Eine Rückweisung hat keine rechtliche Bindung für den Bundesrat. Das ist eine Übung fürs Schaufenster.» So zu politisieren sei sinnfrei und würde den politischen Prozess aufhalten. Schliesslich gäbe es auch aus SP-Sicht einiges zu kritisieren, etwa die «Freihandelseuphorie» oder die miserable Altersvorsorge vieler Landwirte. Eine Rückweisung bewirke aber nichts.
Maya Graf (Grüne/BL) kritisierte den Bericht aus ökologischer Sicht: «Der Bundesrat will eine Fitnesskur für einen forcierten Freihandel.» In seinem «Freihandelseifer» verpasse es der Bundesrat aber, Lösungsvorschläge für die ökologischen Schwachstellen der Agrarpolitik auf den Tisch zu legen. Fairer Handel sei der dritte Weg zwischen Abschottung und schrankenlosem Freihandel auf Kosten von Mensch, Umwelt und Tier.
Der Bundesrat braucht Sie und Sie brauchen den Bundesrat.
Bundesrat Schneider-Ammann plädierte für eine Gesamtschau: Man müsse alles sehen, die Umwelt, die ausländische Konkurrenz, den nötigen Marktzugang für andere Branchen: «Es wird kein Segment einem anderen geopfert, das kann nicht die Idee sein. Aber den Grenzschutz etwas zurücknehmen und mit Exportvolumen kompensieren, das ist die Idee, die wir mit der Landwirtschaft haben.»
Schneider-Ammann sagte, die «Zeit der Auseinandersetzung in teils etwas gehässigem Tonfall» sei vorbei: «Ich biete Ihnen an, Schritt für Schritt zu gehen und dafür zu sorgen, dass wir die beste Landwirtschaft haben. Der Bundesrat braucht Sie und Sie brauchen den Bundesrat.»