Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sind entscheidend, wenn man Bundesrat oder Bundesrätin werden will? Diese Frage beschäftigt aktuell nicht nur die fünf Kandidatinnen und Kandidaten, die die Nachfolge von SVP-Bundesrat Ueli Maurer antreten wollen. Alt-Bundesrat Hans-Rudolf Merz, der von 2003 bis 2010 im Amt war, hat sie in der Sendung «Club» aus eigener Erfahrung beantwortet.
Haltung und Herzblut
Wer in den Bundesrat wolle, brauche eine klare Linie, eine gefestigte Meinung, so Merz. Und man müsse dazu bereit sein, sich total in dieses Amt einzubringen: «Das ist eine Grundvoraussetzung.»
Ab dem Zeitpunkt der Wahl verändere sich das ganze Leben: Der Alltag sei komplett durchgetaktet, das Privatleben stark eingeschränkt, Sicherheitsvorkehrungen müssten getroffen werden: «Eines Tages rief meine Frau mich an und sagte, ein paar Handwerker hätten unser Haus verkabelt, im oberen Stock eine Wand herausgerissen und im Schlafzimmer eine Doppeltür mit Spion eingebaut – ich hatte davon keine Ahnung.»
Charakter: Die Lieben und Netten gewinnen
Offenheit, Ehrgeiz, Humor: All das seien Eigenschaften, die einem als Mitglied des Bundesrats zugutekämen, so Merz. Eine brauche es jedoch unbedingt: Verträglichkeit. Der Bundesrat als Gremium komme nur zum Ziel, wenn die Mitglieder sich auch menschlich vertragen würden.
Das betonte auch Journalistin Eva Novak, die seit über 30 Jahren aus dem Bundeshaus berichtet: Teamfähigkeit sei entscheidend. Dazu gehöre auch, den Kontakt zu den Parlamentarierinnen und Parlamentariern zu pflegen, sich zu vernetzen. Wer respektvoll mit den Leuten umgehe und mit allen reden könne, statt zu polarisieren oder sich selbst zu stark in den Vordergrund zu stellen, habe bessere Chancen.
Diese Einschätzung deckt sich mit einer kürzlich erschienen Studie der Universität Bern, die zum Schluss kommt: «Am Wahltag erhalten die Lieben und Netten die meisten Stimmen.»
Führungskompetenzen
Wer im Bundesrat sitzt, ist Chef oder Chefin von tausenden von Mitarbeitenden. Das sei ein Faktor, den alle Kandidierenden unterschätzen würden, so Merz. Für Philippe Hertig stellt die Führung gar den «Hauptjob» des Bundesrats dar. Hertig ist Partner beim Beratungsunternehmen Egon Zehnder und spezialisiert auf die Suche von Führungskräften.
«Ein Bundesrat muss sein Departement strategisch-operativ ausrichten», erklärte Hertig. «Ich habe Mühe, wenn ich Kandidatinnen und Kandidaten sehe, die weder Exekutiv- noch Führungserfahrung haben.» Hans-Rudolf Merz bestätigt: Gerade, weil ein Departement aus so vielen unterschiedlichen Bereichen bestehe, sei es unmöglich, sich in alle detailliert zu vertiefen: «Irgendwann erkennt man: Viel wichtiger ist es, zu führen und Akzente zu setzen.»
Gewandtheit auf dem internationalen Parkett
Bundesrätinnen und Bundesräte repräsentieren die Schweiz auch im Ausland. Darum sei es von Vorteil, mehrere Fremdsprachen zu beherrschen, sagte Bundeshausjournalistin Eva Novak. Die Vergangenheit habe jedoch gezeigt, dass sich fehlende Kenntnisse ausgleichen liessen.
So habe zum Beispiel Alt Bundesrat Adolf Ogi zwar nicht mit perfektem Englisch auftrumpfen können, dafür aber mit seinem menschlichen Auftreten überzeugt: «Er hatte auf seinen Reisen immer einen Bergkristall in der Tasche und hat den verschenkt.» So sei es Ogi gelungen, mit ausländischen Ministerinnen und Ministern freundschaftliche Kontakte zu knüpfen, auch wenn diese politisch komplett andere Positionen vertraten.