Die SP schickt den Baselstädter Regierungspräsidenten Beat Jans und den Bündner Nationalrat Jon Pult in die Bundesratswahlen vom 13. Dezember. Einer von ihnen soll ihren abtretenden Parteikollegen Alain Berset beerben. Damit steht auch fest, dass andere SP-Grössen ihre Bestrebungen beiseitelegen müssen. Einer davon ist der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch. Warum er von seiner Partei abgestraft wurde, erklärt Politologe Michael Hermann.
SRF: Was war das Auffälligste bei dieser SP-Nomination?
Michael Hermann: Am bemerkenswertesten war für mich die Dauer der Nomination, diese 18 Wahlgänge, die nötig waren. Dieser Fight, die taktischen Spiele, die eine Rolle gespielt haben.
Inwiefern überrascht Sie das schlechte Abschneiden von Daniel Jositsch, der in den Wahlgängen als erster ausgeschieden ist?
Mich hat das nicht überrascht. Man muss immer in zwei Richtungen wirken, wenn man erfolgreich Politik machen will. Man muss gegen aussen, gegenüber der Bevölkerung wirken, aber man muss auch gut verankert sein in der Partei – und das war genau das Defizit von Daniel Jositsch. Daran hat er nicht genügend gearbeitet, beziehungsweise er hat Fehler gemacht.
Daniel Jositsch hat immer sehr eigensinnig politisiert, hat sich teilweise auch gegen seine Partei positioniert.
Welche Fehler wurden ihm konkret zum Verhängnis? Seine Kandidatur im Jahr 2022, als es um die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga ging?
Es war nicht dieser Fehler allein, das alles hat schon früher begonnen. Daniel Jositsch hat immer sehr eigensinnig politisiert, hat sich teilweise auch gegen seine Partei positioniert. Das war auch ein Grund, dass er so populär war in der Bevölkerung. Dann, bei der Wahl 2022 mit dem Frauenticket, ist Jositsch mit der Kandidatur vorgeprescht und stellte sich wieder gegen seine Partei. Das war der Schritt zu viel. Richtig glaubwürdig Abstand genommen von seinem Fehler, hat er nie.
Muss man als Bundesrat immer parteikonform handeln?
Man muss nicht immer parteikonform handeln, sondern auch überparteilich. Aber man muss gut verankert sein in der Partei, da diese es mit einer Nomination ermöglicht, Bundesrat zu werden.
Daniel Jositsch fehlt eine wichtige Qualität, um Bundesrat zu werden: Das Gespür für die eigene Partei. Er hätte von Anfang an seine Partei stärker mitziehen müssen.
Bringt Daniel Jositsch also die Qualitäten eines Bundesrates nicht mit?
Daniel Jositsch fehlt eine wichtige Qualität, um Bundesrat zu werden: das Gespür für die eigene Partei. Er hätte von Anfang an seine Partei stärker mitziehen müssen. Er hätte sich im richtigen Moment zurückhalten müssen, wie das beispielsweise Jon Pult und Beat Jans vergangenes Jahr gemacht haben, indem sie nicht kandidiert haben.
Sind die Tage von Daniel Jositsch in der SP gezählt?
Jositsch wird nun verletzt sein und zurecht das Gefühl haben, übergangen worden zu sein. Seine Distanz zur Partei wird sicher nochmals zunehmen.
Wäre es möglich, dass Jositsch die Partei verlässt?
In Zürich gäbe es in dieser Hinsicht zumindest ein gutes Vorbild. Mario Fehr ist auch aus der SP ausgetreten und wurde als Parteiloser mit dem besten Resultat wieder in den Regierungsrat gewählt. So etwas könnte Jositsch auch machen.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Jositsch von den anderen Parteien als wilder Kandidat doch Stimmen erhält oder gar als Bundesrat gewählt wird?
Ich gehe fest davon aus, dass er wie vor einem Jahr wieder viele Stimmen erhalten wird. Er wird jedoch meiner Überzeugung nach erneut nicht gewählt werden. Die anderen Partien möchten keine Retourkutsche riskieren, wenn sie dann mit ihrem eigenen Ticket wieder an der Reihe sind.
Das Gespräch führte Sandra Brand.