Bundesrichter Yves Donzallaz ist wiedergewählt worden, obwohl er von seiner Partei – der SVP – fallen gelassen wurde. Der in der jüngeren Justizgeschichte einmalige Angriff einer Partei auf seinen Bundesrichter ist gescheitert. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt dennoch.
Denn mit der Weigerung der SVP, Donzallaz als Vertreter der eigenen Partei wiederzuwählen, wurde die Gewaltenteilung zwischen Judikative und Legislative in eine Krise gestürzt. Die anderen Parteien kritisierten das Vorgehen der SVP zwar deutlich. Dennoch ist das Tabu gebrochen, aus der Politik direkten Druck auf einzelne Richter auszuüben.
Erste Schwäche des Systems: Wiederwahl
Die Krise in der Gewaltenteilung ist aber auch als Chance zu verstehen. Sie lancierte die Debatte neu, ob Richter überhaupt Mitglied einer Partei sein sollen. Gesetzlich ist das nirgends vorgeschrieben und unter jungen Juristinnen und Juristen ist umstritten, ob eine Parteizugehörigkeit noch zeitgemäss ist. Die aktuelle Krise belebt die Diskussion um zwei Schwächen des bisherigen Richterwahlsystems neu.
Die eine Schwäche betrifft die periodische Wiederwahl der Bundesrichterinnen und Bundesrichter. Auf dieses Problem macht die Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter seit Jahren aufmerksam. Sie plädiert für ein nationales System nach Vorbild des Kantons Freiburg. Dort werden Richterinnen und Richter auf unbestimmte Zeit gewählt. Im Alter von 65 Jahren müssen sie abtreten. Vor dem Rentenalter können sie einzig aus triftigen Gründen abberufen werden. Damit wäre der alle sechs Jahre wiederkehrenden Möglichkeit von Druckversuchen bei Richterwahlen ein Riegel geschoben.
Zweite Schwäche des Systems: Mandatssteuern
Das zweite Problem betrifft die Mandatssteuer, also die Beiträge, welche ein Bundesrichter seiner jeweiligen Partei jährlich abgeben muss. Kritiker sprechen von Ämterkauf. Und auch von internationalen Beobachtern wird die Mandatssteuer kritisiert.
Die Staatengruppe «Groupe d’Etats contre la corruption» (GRECO) des Europarates sieht die richterliche Unabhängigkeit in der Schweiz wegen den Mandatssteuern tangiert. Die Richtervereinigung fordert schon lange, dass diese Mandatssteuern abgeschafft werden. Doch die bisherige Kritik blieb folgenlos, weil die eidgenössischen Räte die Zügel fest in der Hand haben.
Risiko Justizinitative
Und die Parteien wollen auf Mandatssteuern als Einnahmequelle nicht verzichten. Damit gehen sie das Risiko ein, der Justizinitiative Aufwind zu geben. Diese will Bundesrichterwahlen entpolitisieren und die Magistraten per Los bestimmen.
Der Bundesrat empfiehlt die Justizinitiative zur Ablehnung, ein Gegenvorschlag ist bislang nicht vorgesehen. Die Richtervereinigung stellt sich ebenfalls gegen das Losverfahren, würde hingegen einen Gegenvorschlag unterstützen, der die Schwächen des bisherigen Systems ausmerzen würde. Dass Reformen nun intensiv diskutiert werden, ist eine Chance – der Krise in der Gewaltenteilung zum Trotz.