Wer hat den Diplomaten erschossen? Wer im November 1995 den ägyptischen Diplomaten Alaa al-Din Nazmi in einer Genfer Tiefgarage erschossen hat, blieb während Jahrzehnten ungeklärt. Dann der Durchbruch: Dank neuer Techniken konnten DNA-Spuren und Fingerabdrücke auf dem Schalldämpfer ausgewertet werden. Der Abgleich mit Datenbanken ergab einen Treffer: Ein italienisch-ivorischer Doppelbürger konnte als mutmasslicher Täter identifiziert und festgenommen werden.
Jetzt kommt es zum Prozess: Ab Montag muss sich der mutmassliche Schütze vor Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, im Auftrag unbekannter Personen gegen eine nicht näher bezifferte Summe Geld den Diplomaten erschossen zu haben. Ein klassischer Auftragsmord also.
Wer gab den Auftrag? Über die Identität und das mögliche Motiv der Hintermänner steht in der Anklageschrift kein Wort. Die Bundesanwaltschaft tappt offenbar im Dunkeln – oder hat zumindest keinerlei Beweise.
Der politische Hintergrund: In den 1990er-Jahren gab es in Ägypten ideologische Konflikte und soziale Spannungen – unter anderem wegen der Liberalisierung der Wirtschaft und dem Frieden mit Israel. Der islamistische Terrorismus erreichte neue Dimensionen, sowohl im Land selber als auch international. Der damalige ägyptische Präsident Husni Mubarak setzte in vielen Botschaften Geheimdienstmitarbeiter ein, um gegen islamistische Kräfte in Europa vorzugehen.
Waren es die Muslimbrüder? Beobachter spekulieren, Islamisten hätten den Mord in Auftrag gegeben. Alaa al-Din Nazmi habe nämlich im Auftrag von Mubarak nach Geldflüssen der Muslimbrüderschaft in der Schweiz gefahndet. Mit dem Mord konnten die Auftraggeber nicht nur al-Din Nazmi stoppen, sondern zugleich andere davon abschrecken, den Spuren der Muslimbrüder in Europa nachzugehen.
Verrät er die Hintermänner? Auch wenn der mutmassliche Auftragsmörder dem Gericht die Namen der Hintermänner verraten würde, dürfte das nicht viel nützen. Es ist gut möglich, dass die Auftraggeber bereits tot sind. Und wenn nicht, wird die Zeit kaum reichen, sie rechtzeitig vor Gericht zu bringen: Der Mord an dem ägyptischen Diplomaten verjährt nächstes Jahr.