SRF News: In der Schweiz verhüllen sich sehr wenige Frauen. Ist die Verhüllung des Gesichts hierzulande überhaupt ein Problem?
Walter Wobmann (SVP/SO): Es wird zunehmend eines. Die Parlamentarische Initiative, die der Ständerat nun berät, und die Volksinitiative, für die wir zurzeit Unterschriften sammeln, fordern ein allgemeines Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum. Ob aus religiösen Gründen, mit Burka oder Nikab, oder aus politischen Gründen, beispielsweise bei Demonstrationen, Saubannerzügen, oder bei Linksextremen, wie es in letzter Zeit in Bern beobachtet werden konnte. Das Verbot soll in der ganzen Schweiz gelten, so wie es jetzt schon im Tessin der Fall ist.
Wir in Ausserrhoden wollen uns nicht von der Eidgenossenschaft vorschreiben lassen, welche Kleidervorschriften wir haben.
In der Schweiz ist es unüblich, das Gesicht zu verhüllen. Gehört sich das?
Andrea Caroni (FDP/AR): Es gibt viele Situationen, in denen jemand sein Gesicht verhüllt, die auch in der Schweiz ganz alltäglich sind. Zum Beispiel auf der Skipiste, auf dem Motorrad oder an der Fasnacht. Es ist eine grundsätzliche Überlegung. Wir sind ein freiheitliches Land. In so einem Land möchte ich in der Bundesverfassung keine Kleidervorschriften haben, egal welcher Art. Auch die Frauen in diesem Land wollen nicht, dass man ihnen sagt, was sie an- oder ausziehen sollen. Hinzu kommt der föderalistische Punkt. Wenn ein Kanton der Meinung ist, man solle das regeln, dann kann er das tun. Walter Wobmann hat das Tessin erwähnt. Aber wir in Ausserrhoden wollen uns nicht von der Eidgenossenschaft vorschreiben lassen, welche Kleidervorschriften wir haben. Wir haben Vorschriften zum Nacktwandern erlassen. Das will der Kanton Solothurn wiederum nicht. Wir wollen frei bleiben.
Die SVP ist gegen zu viele Verbote. Wieso ausgerechnet hier ein Verbot?
Wobmann: Das stimmt, ich bin für möglichst wenige Verbote. Aber hier ist es ein ganz spezieller Fall. Das Verhüllen des Gesichtes aus religiösen Gründen ist ein typisches Symbol für den radikalen, extremen Islam, der für ganz andere Werte steht als unser freiheitlich-demokratisches System. Das ist der zentrale Unterschied. Es ist wie beim Minarettverbot: Auch das ist ein Symbol für diesen radikalen Islam, der durch die Zuwanderung und die Flüchtlingsströme zunehmend nach Europa kommt. Es soll mir niemand sagen, dass das Verhüllen des Gesichtes etwas mit Freiheit zu tun hat. Ich rede nicht von Motorradhelmen und Skibrillen. Das sind Ausnahmen, die Verhüllung aus kulturellen Gründen ist ganz klar geregelt. Alles andere ist ein Zeichen der Unfreiheit. In unserem Kulturkreis zeigt man das Gesicht. Es ist doch krank, wenn Menschen sich verhüllen müssen. Ein Kleidergefängnis hat nichts mit Freiheit zu tun, das ist tiefstes Mittelalter.
Verhüllte Frauen würden unterdrückt, ist ein Argument. Ist das in Ihrem Sinn?
Caroni: Nein. In einer freien Gesellschaft darf jeder seine Kleidung wählen. Natürlich darf niemand jemanden zwingen, sich so oder so zu kleiden. Das gilt heute schon. Deshalb ist der Satz in ihrer Initiative, dass man niemanden zum Tragen einer Burka zwingen darf, völlig überflüssig. Der steht heute schon im Strafrecht. Sie dürfen auch niemanden in einen Minirock zwingen. Auch bei der Vermummung ist es so. Ihr Kanton Solothurn, Herr Wobmann, hat seit 2006 ein Vermummungsverbot. Bern, Zürich und St. Gallen haben eines. Jeder Kanton kann es einführen. Sie sagen, es gehe Ihnen um ein allgemeines Verhüllungsverbot. Doch wenn es konkret darum geht, was es alles schon gibt, müssen Sie zugeben, dass es Ihnen eigentlich um anti-islamische Propaganda geht.
Es ist doch krank, wenn Menschen das Gesicht verhüllen müssen. Ein Kleidergefängnis hat nichts mit Freiheit zu tun.
Ist die parlamentarische Initiative gegen den Islam gerichtet?
Wobmann: Es ist ein allgemeines Verhüllungsverbot aus religiösen oder politischen Gründen. Und natürlich auch aus Sicherheitsgründen. Ich möchte daran erinnern, dass es inzwischen etwa 16 Staaten gibt, die Verhüllungsverbote, zum Teil auch explizit Burkaverbote haben. Darunter sind fünf islamische Staaten. Der neueste ist Marokko. Die Begründung: Unter der Vollverschleierung könnten Männer mit Bomben stecken, die Anschläge planen. Auch in Europa haben wir immer mehr Staaten mit Verhüllungsverboten. Frankreich und Belgien etwa. Auch Holland hat es beschlossen. Und derzeit diskutieren Österreich und Deutschland dieses Thema.
Was sagen Sie zum Sicherheitsaspekt, Herr Caroni?
Caroni: Zum einen ist es erstaunlich, Herrn Wobmann ausführlich die Vorbilder fremder Rechtsordnungen zitieren zu hören, denen wir uns anpassen sollen. Zudem steht es jedem Staat und jedem Kanton frei, ein solches Verbot einzuführen. Das Tessin hat es gemacht. Sie haben bis heute keinen Grund nennen können, weshalb Sie es allen anderen Kantonen aufzwingen wollen. Die Sicherheit ist gemäss Bundesverfassung Kantonsaufgabe. Vermummte Chaoten in Saubannerzügen sind bereits erfasst durch Vermummungsverbote, auch eine Nikabträgerin müsste an einem Fussballspiel oder bei einer Demonstration ihr Gesicht zeigen. Aber bei einer Touristin, die harmlos durch die Strassen schlendert, sehe ich das Sicherheitsproblem nicht. Nennen Sie mir einen Zwischenfall, bei dem jemand wegen einer Gesichtsverhüllung ein Attentat begehen konnte, das er sonst nicht hätte begehen können in unseren Kreisen.
Wieso genügt die Regelung auf kantonaler Ebene nicht?
Wobmann: Das Tessin hat Erfahrungen mit dem Burkaverbot. Es funktioniert tadellos. Inzwischen gibt es Hotels, die in der Hausordnung haben, dass es keine Verhüllung gibt, und es gibt keine Probleme. Aber ich will das gesamtschweizerisch gelöst haben. Es kann doch nicht sein, dass wir in 26 Kantonen verschiedene Vorschriften haben. Da weiss doch kein Mensch, was jetzt gilt. Wir haben viele nationale Gesetze und Verordnungen. Wieso hier nicht? Andere Länder können das auch.
Sie können auch rosa Ufos verbieten, und Sie werden feststellen, es gibt kein Problem, weil die heute schon kein Problem sind.
Im Tessin ist das Verbot offenbar kein Problem...
Caroni: Es ist kein Problem, weil die Burka kein Problem ist. Es hat nämlich fast niemand eine an. Etwas übertrieben gesagt, Sie können auch rosa Ufos verbieten, und Sie werden feststellen, es gibt kein Problem, weil die heute schon kein Problem sind. Was die Hotels angeht: Es darf heute schon jeder Anbieter von privaten Leistungen sagen, bei mir kommen Sie nicht mit Burka – oder nicht mit einem Hund, oder nur mit einem Anzug – hinein. Das ist eine Freiheit, die wir natürlich bewahren wollen.
Das Gespräch führte Lukas Mäder.