Kinderarmut sei ein grosses Problem in der Schweiz, sagt die zuständige Bereichsleiterin bei der Caritas, Marianne Hochuli. «Über 100'000 Kinder sind direkt von Armut betroffen, und es sind nochmals so viele, die ein wenig über der Armutsgrenze leben – also in einem Haushalt, in dem Armut herrscht.»
Einmal arm, immer arm?
Und das grösste Problem sei, dass sich Kinderarmut allzu häufig im Erwachsenenalter fortsetze, erklärt Hochuli. Mit anderen Worten: Die Entbehrungen in jungen Jahren haben ein Leben lang Konsequenzen.
«Wenn Kinder nicht dieselben Chancen haben, nicht auf dieselbe Weise gefördert werden, dann wirkt sich das auf das spätere Leben aus, etwa darauf, welche Berufe sie erlernen, und oft landen sie wieder in prekären Situationen.» Hier sei die Politik gefordert, betont die Caritas-Vertreterin.
Dass die Hilfsorganisation gerade jetzt mit dieser Botschaft an die Öffentlichkeit geht, hat seinen Grund. Am Nachmittag tritt das neugewählte Parlament zum ersten Mal zusammen. Martin Flügel, der Politikleiter von Caritas, nennt die zentrale Forderung: «Wir wollen, dass das neue Parlament Ergänzungsleistungen für Familien beschliesst, damit erwerbstätige Eltern und deren Kinder nicht in Armut leben und Sozialhilfe beziehen müssen.»
Vier Kantone schreiten voran
Ergänzungsleistungen für Familien, deren Einkommen nicht reicht, um den Lebensbedarf zu decken – dieses Instrument gibt es bereits in den vier Kantonen Genf, Waadt, Solothurn und Tessin. Und diese Kantone, so Flügel, machen bisher gute Erfahrungen damit: «Sie können ganz klar die Armut von Familien und Kindern reduzieren. Das ist eine ganz grosse Leistung und sehr wertvoll. Das müsste unbedingt für alle anderen Kantone ein Vorbild sein.»
Damit das geschehe, brauche es aber unbedingt ein Rahmengesetz des Bundes. Nur so könne man sicherstellen, dass arme und von Armut bedrohte Familien in der ganzen Schweiz von der Ergänzungsleistung für Familien profitieren könnten. Flügel betont, das müsse nicht zwangsläufig eine Links-Rechts-Frage sein. Denn in den vier Pionier-Kantonen hätten dem Ansinnen auch Parlamentarierinnen und Parlamentarier von CVP und FDP zugestimmt.