Während der Pandemie waren Chöre und Blasmusiken unter Druck geraten. Ihre Leidenschaft birgt eine besonders grosse Ansteckungsgefahr: Durch die Atmung und Gesänge geraten viele Aerosole in die Luft, wobei sich Corona-Viren besonders gut verbreiten können.
Zertifikat adieu, Personenbeschränkung weg: Seit in der Schweiz fast alle Corona-Massnahmen weggefallen sind, steigt die Zuversicht auch bei den Musikgesellschaften. Die Zwangspause ist endgültig vorbei. Doch die Pandemie hallt nach.
Dies zeigt exemplarisch ein Blick in das Walliser Dorf St. German. Nach zwei Monaten Pause probt dort der örtliche Gesangsverein erstmals wieder im Probelokal – und zwar ohne Maske. Im Halbkreis steht eine bunt gemischte Gruppe Männer von jung bis alt. «Das stetige Auf und Ab war schon ermüdend für uns», sagt Dirigent David Gysel.
Der soziale Teil des Vereinslebens stand auf dünnem Eis.
Bei anderen Chören sorgten die Corona-Massnahmen für hitzige Diskussionen. Meinungsverschiedenheiten seien so gross gewesen, dass es zum Bruch gekommen sei. «Uns ist ein Chor bekannt, der seine Tätigkeit mangels Mitgliedern ganz einstellen musste», sagt Isabelle Knubel, Präsidentin des Oberwalliser Chorverbands.
Es fehlt an Nachwuchs
Ähnlich wie den Chören ergeht es den Blasmusiken. In der Schweiz gibt es 3000 Musikgesellschaften mit über 70'000 Mitgliedern. Es seien einige Leute ausgetreten, sagt Philipp Loretan, Präsident des Oberwalliser Musikverbandes. Es fehle aber vor allem an Nachwuchs. Die Jungen hätte man während der Pandemiezeit nicht für die Musikgesellschaften gewinnen können. Es sei tragisch, dass man lange Zeit keine Neumitglieder habe rekrutieren können. «Diese zwei Jahren fehlen uns in Zukunft», so Loretan.
Andere Probleme beobachtete Simon Bühler, Dirigent der Musikgesellschaft Madrisa Klosters-Dorf. «Um die Motivation alleine zu Hause zu finden, fehlte dem einen oder anderen Mitglied der Antrieb. Der soziale Teil des Vereinslebens stand auf dünnem Eis», führte er letzten September einen weiteren Punkt aus.
Die grosse Freude kommt zurück
Zurück in St. German im Wallis. Anny Imseng, Co-Präsidentin des Gesangsvereins, sagt, man habe alles versucht, um während der Pandemie die Leute bei der Stange zu halten. «Als wir die GV absagen mussten, haben wir allen Mitgliedern eine Wurst geschickt. Der Zusammenhalt war uns wichtig.»
Darum habe man selbst während der langen Durststrecke keinen einzigen Austritt verzeichnen müssen. «Jetzt sind wir einfach froh, dass es wieder losgeht. Wie die Stimme tönt, ist die zweite Frage. Bei mir krächzt es schon», meint eine Chorsängerin.