Wenn der Verkehr und die Industrietätigkeit vermindert werden oder gar stillstehen, sinkt der Ausstoss von Treibhausgasen. Deutschland meldete, es werde sein Klimaziel für 2020 entgegen den ursprünglichen Prognosen wegen des Lockdowns doch erreichen. Wie es mit den Klimazielen der Schweiz steht, sagt Andrea Burkhardt vom Bundesamt für Umwelt (BAFU).
SRF News: Sind die Emissionen von Treibhausgasen in der Schweiz mit dem Lockdown auch rückläufig?
Andrea Burkhardt: Aussagen über derart kurzfristige Schwankungen sind nicht möglich. Der Grund ist, dass Treibhausgase nicht in der Luft gemessen werden, sondern aus Jahresstatistiken abgeleitet werden. Daher müssen wir abwarten, wie lange der Lockdown dauert und wie sich die Situation präsentiert, wenn wir in den Normalzustand zurückzukehren.
Vermutlich wird in der Statistik für 2020 ein Rückgang festzustellen sein.
Aber der Verkehr hat doch deutlich abgenommen?
Ja, dass das Verkehrsaufkommen rückläufig ist, ist augenfällig und vermutlich wird in der Statistik für 2020 ein Rückgang festzustellen sein. Aber das wissen wir wirklich erst nächstes Jahr.
Die beiden anderen grossen Bereiche neben dem Verkehr sind die Gebäude und die Industrie. Glauben Sie, dass es da zu einem Rückgang der Emissionen kommt?
Bei den Gebäuden gehen wir davon aus, dass sich die Pandemiemassnahmen neutral auswirken, weil dort der Bedarf an Heizenergie massgeblich durch die Aussentemperatur bestimmt wird. Bei der Industrie kommt es darauf an, ob die wirtschaftliche Aktivität tatsächlich zurückgeht.
Wir gehen davon aus, dass gewisse Ausfälle kompensiert werden.
Dann werden wir das sicher auch in der Treibhausgasbilanz feststellen. Allerdings stellt sich dort die Frage, ob die Produktionsausfälle später nachgeholt werden.
Rechnen Sie mit einem sogenannten Rebound, mit einem verstärkten Ausstoss, nach der Krise?
Wir können heute nur schwerlich beurteilen, wie sich das Verhalten nach Rückkehr zur Normalität präsentieren wird. Wir gehen aber davon aus, dass gewisse Ausfälle dann wieder kompensiert werden. Es wird sich auch zeigen, ob strukturelle Effekte eintreten, die sich in der Tendenz langfristig aufrechterhalten. Aber das ist zum heutigen Zeitpunkt schwer abzuschätzen.
In Deutschland zeigt sich, dass das Land wahrscheinlich das Klimaziel für 2020 entgegen vorheriger Prognosen erreicht. Was die Schweiz betrifft, geht man davon aus, dass sie ihr Ziel verfehlt. Oder ist es nun in Reichweite?
In der Schweiz präsentiert sich die Situation grundlegend anders als in Deutschland. Wir haben weniger Schwerindustrie. Der Strom wird nahezu CO2-frei produziert. Deswegen haben wir in Bezug auf die Erreichung des Ziels hier weniger Effekt. Wir sind nicht auf Zielkurs. Trotz der momentanen Ausnahmesituation werden wir das Ziel wohl nicht erreichen.
Wie weit daneben wird die Schweiz Ende 2020 sein?
Das werden wir erst 2022 wissen.
Kann man zumindest sagen, dass durch diese Pandemiemassnahmen der Ausstoss von Treibhausgasen eher sinkt als steigt?
Die Frage wird sein wie, lange dieser Ausnahmezustand anhält. Er dauert zwar gefühlt ewig im Moment, aber im Rückblick wird er vielleicht doch nicht so lange gedauert haben und nur wenige Spuren in der Treibhausgasbilanz hinterlassen.
Das Gespräch führte Klaus Ammann.