Ein Bauernhof, ein Obsthain, eine Neubausiedlung und dazwischen eine Wiese. Auf dieser Wiese steht ein grosser Wohnwagen aus Holz. Er heisst Tilla. «Tilla steht für ‹tiny› Villa, also kleine Villa», sagt René Reist.
Sein Tilla-Projekt betrachtet er als zukunftsweisend. Sein Ziel ist, möglichst energieautonom zu leben. Er wohnt mit seiner Frau und seinem einjährigen Sohn seit September im Wohnwagen. Den Winter hätten sie sehr gut überstanden. Der 33-Jährige erklärt, was ihn motiviert hat: «Ich möchte nachhaltig wohnen. So habe ich mir als junger Bürger in der Schweiz einen Handlungsspielraum ohne Hypothek geschaffen.»
Licht vom Solarpanel
Das Ziel ist, die Energiewende zu schaffen und weniger Ressourcen zu verbrauchen. Deshalb ist Tilla auch kein normaler Wohnwagen. Sie ist nicht ans Stromnetz angeschlossen, den Strom produziert sie selbst. Auf dem Dach stehen zehn Solarpanels. Das reiche für den Alltag, fürs Licht, den Kühlschrank, den Computer, sagt Reist auch im Winter: «Selbst wenn es lange bewölkt ist, überstehen wir zehn Tage. Wir brauchen zwei, drei Stunden Sonne, und dann ist die Batterie wieder voll.»
Auch für die Heizung reicht die selbst produzierte Energie bis in den Herbst hinein. Im Winter nutzt die Familie zusätzlich einen Holzofen, damit sie nicht in der kalten Stube sitzen muss. Zum Kochen reicht der eigene Strom hingegen nicht, denn Kochen braucht sehr viel Energie. Gekocht wird mit Gas.
Wir machen regelmässig Besuchstage. Wir werden fast überrannt jeweils.
Ganz energieautonom ist das Projekt Tilla also nicht. Dafür bräuchte es eine grössere Gemeinschaft, sagt Reist. Mehrere Haushalte könnten aus den organischen Abfällen Biogas fürs Kochen herstellen. Reist schwebt vor, sein Wohnkonzept mit Gleichgesinnten zu erweitern. Das wäre energieeffizienter.
Sowieso wird die Familie bald mehr Platz brauchen. Ein zweites Kind ist unterwegs. Aber noch ist die Familie klein, die 33 Quadratmeter reichen für ein grosses Bett, einen Esstisch, eine Küche und ein Bad aus.
Auch das Bad hält eine Überraschung bereit. Es hat eine spezielle Toilette, die den Urin und die Fäkalien trennt. Das hat einen wichtigen Vorteil: «Wenn es von Anfang an trennt, kann man es relativ einfach aufbereiten. Aus dem Urin kann ich Dünger machen. Die Fäkalien kann ich mit einem Wurmkompostiersystem kompostieren und vor Ort wieder nutzen.»
Genauso wird auch das Abwasser von der Dusche und der Küche gefiltert und gereinigt. Das Ziel sind geschlossene Kreisläufe. Dadurch lässt sich der Ressourcenverbrauch stark verringern. Von Gesetzes wegen ist die Tilla an der Kanalisation angeschlossen, aber es ginge auch ohne.
Viel Interesse von aussen
Reist ist mit seiner Familie gut unterwegs auf seinem Weg zu einem klimaneutralen Leben. Sein Wohnwagen fällt im Dorf auf; dementsprechend neugierig reagieren die Nachbarn und die Schulkinder der nahen Primarschule. Immer wieder werde er auf sein Projekt angesprochen, sagt Reist, ein sportlicher Typ im T-Shirt mit Bart und Glatze. Das sei gut, denn er wolle seine Ideen auch weitergeben: «Wir machen regelmässig Besuchstage. Wir werden fast überrannt jeweils. Es macht mir Freude, dass viele Leute in diese Richtung gehen.»
Freude haben auch die Forscher von zwei Zürcher Hochschulen. Sie begleiten das Projekt wissenschaftlich, um daraus Erkenntnisse für die Umsetzung der Energiestrategie 2050 zu gewinnen. Reist und seine Familie wollen noch bis im Herbst 2020 in der Au bleiben und danach mit ihrem Wohnwagen wegziehen. Schliesslich ist Tilla ja ein Heim auf Rädern.