Für die strenge Untersuchungshaft in der Schweiz ist das revolutionär. Im Gefängnis Pfäffikon (ZH) waren die Zellen bei einer Untersuchungshaft grundsätzlich 23 Stunden geschlossen, die Insassen durften gerade mal eine Stunde spazieren. Jetzt sind die Zellentüren neu bis zu neuneinhalb Stunden geöffnet.
Die U-Haft in Pfäffikon ist in nur drei Jahren völlig auf den Kopf gestellt worden. Möglich gemacht hat das Gefängnisleiter Simon Miethlich. Er hat den Gruppenvollzug eingeführt. In dieser Zeit können die Insassen auf zwei Stockwerken zirkulieren. «Die Inhaftierten können auf den Hof oder in den Speisesaal gehen oder im Gefängnis-Supermarkt einkaufen», sagt Miethlich.
Kritik wegen langer Einschlusszeit
Gegen Untersuchungs-Häftlinge läuft zwar ein Strafverfahren, juristisch gesehen sind sie aber unschuldig. Die Untersuchungshaft ist die härteste Haftform, die es gibt. Oft werden die strengen Haftbedingungen mit Kollusionsgefahr begründet. Insbesondere der Kanton Zürich wurde deswegen jahrelang kritisiert.
Kritik gab es etwa von der nationalen Kommission zur Verhütung von Folter – wegen der langen Einschlusszeiten. Oder auch von Anwaltsverbänden – wegen der restriktiven Kontaktmöglichkeiten nach aussen.
Die Wiedereingliederung im Kanton Zürich fängt nun schon in der Untersuchungshaft an.
Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) hat die Reform der Untersuchungshaft im Kanton Zürich angestossen. In allen fünf Untersuchungsgefängnissen wurden die Haftbedingungen gelockert. In Pfäffikon am weitesten.
«Die Wiedereingliederung im Kanton Zürich fängt nun schon in der Untersuchungshaft an. Ohne dass wir damit die Untersuchung selber gefährden», sagt Fehr. «Das Beispiel Pfäffikon zeigt, dass das geht.»
Zusammen statt allein essen
Die offenen Zellen sind in Pfäffikon nur der Anfang. Es ist auch das erste Untersuchungsgefängnis der Schweiz, das Bildung im Strafvollzug anbietet. Die Insassen können also in die Schule.
Die Gefangenen essen gemeinsam im Speisesaal, vorher mussten sie allein in der Zelle essen – eingeschlossen. Zudem dürfen sie bis zu fünf Stunden pro Tag arbeiten. Fitness und Duschen sind während des Gruppenvollzugs immer möglich, sieben Tage die Woche. Vorher durften die Gefangenen nur zweimal pro Woche duschen. Zudem schneiden sich die Insassen in einem Barbershop gegenseitig Haare und Bärte.
Auf Augenhöhe mit Gefangenen
Besuche sind mittlerweile am Vormittag, Nachmittag und am Abend möglich, bald auch am Wochenende. Auch Telefonate mit Anwälten sind nun erlaubt.
Gefängnisleiter Simon Miethlich sagt, es gebe natürlich auch mal Streit oder eine Auseinandersetzung. Aber das gebe es auch dann, wenn die Gefangenen nur eine Stunde in den Hof dürfen. Er steht hinter seinem Konzept: «Man bringt den Insassen Wertschätzung entgegen, wie man miteinander umgeht, von Anfang an. Dann ist der Anfang auch im Strafvollzug anders.»