Fingerabdrücke, DNA-Spuren, mehrere abgehörte Telefongespräche und Zeugenaussagen eines verdeckten Ermittlers, der in der gleichen Gefängniszelle eingeschleust worden war: Die Vorwürfe wiegen schwer. Doch der Angeklagte – dunkler Anzug, elegante Lederschuhe – will weis machen, dass alles Missverständnisse und Fehlinterpretationen seien, die als Beweise gegen ihn umgedeutet würden. Er kann sich die Spuren entweder nicht erklären oder will alles ganz anders gesagt haben.
Ein Schalldämpfer führte zum Verdächtigen
29 Jahre ist die Tat her, die seit Anfang Dezember vor dem Bundesstrafgericht verhandelt wird. Am 13. November 1995 hatte ein Nachbar die Leiche eines 42-jährigen Ägypters in der Tiefgarage seines Wohnhauses gefunden. War es Terrorismus? Ein Auftragsmord? Das Opfer ein Spion? Was wie Fiktion klingt, waren reale Ermittlungsstränge.
Der heute 55-jährige Mann soll geschossen haben. Eine heute 49-jährige Frau soll ihm geholfen haben, einen Schalldämpfer zu basteln. Das Fabrikat aus Schaumstoff von Auto-Kopfstützen und braunem Klebeband hat die Ermittler zu den Verdächtigen geführt. Dank neuer Technologie, damals noch nicht verfügbar, liessen sich ein Fingerabdruck und DNA-Spuren besser analysieren. Erneute Datenbankabfragen ergaben Treffer. Die beiden Angeklagten bestreiten laut ihren Anwälten die Vorwürfe. Er war 26, sie 20, damals waren sie ein Paar.
Laut Anklageschrift soll der mutmassliche Täter Geld erhalten haben – wieviel? Nicht bekannt. Von wem und weshalb? Ebenfalls nicht bekannt. Das Opfer war stellvertretender Leiter des Handelsbüros der ägyptischen UNO-Mission in Genf. Kein Top-Diplomat. Noch heute stellt sich daher die Frage, weshalb er ins Fadenkreuz geriet.
Zwei Hauptspuren, aber keine Beweise
Die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft liefert – ausser der vorgeworfenen Zahlung – kein mögliches Motiv. Gemäss Ermittlungsakten verfolgten die Ermittler zwei Hauptspuren: Bereits damals wurde ein Bekennerschreiben einer dschihadistischen Terrorgruppe aus Ägypten publik. Ein Anführer: Aymen Al-Zawahiri, der spätere Al-Kaida-Chef, Nachfolger von Osamah Bin Laden.
Das damalige Regime von Hosni Mubarak jagte vermeintliche und tatsächliche Anhänger islamistischer Gruppen unerbittlich, folterte, tötete. Denn sie wollten ihn stürzen. Kam der Mordauftrag an einem Vertreter des Regimes also von der Terrorgruppe? Diese Spur wurde gemäss Ermittlungsakten verfolgt, konnte aber nicht erhärtet werden.
Die zweite These hängt mit der Rolle des scheinbar zweitrangigen Diplomaten zusammen. Offiziell als ägyptischer Handelsvertreter betitelt, habe er für den ägyptischen Nachrichtendienst gearbeitet, wie aus Akten hervorgeht, die SRF einsehen konnte. In dieser Funktion sei er für Bankkonten Mubaraks in der Schweiz zuständig gewesen – und habe das System Mubaraks kritisiert. Dafür gebe es Hinweise, ist den Akten zu entnehmen – aber auch hier keine Beweise. Ein Kritiker, der zum Schweigen gebracht wurde? Es bleibt eine Vermutung.
Die ägyptische UNO-Mission in Genf hat auf Anfragen nicht reagiert. Das Urteil ist auf Ende Januar angesetzt.