Bis zu 1000 Geflüchtete aus der Ukraine sollen frühstens ab Juli in das Containerdorf auf dem Berner Viererfeld einziehen. Der Kanton Bern hat die Siedlung in den letzten Wochen im Eiltempo aus dem Boden gestampft.
Das Ganze sei ein Schnellschuss, sagt Ueli Salzmann, Architekt und langjähriger Experte für Notunterkünfte. Das Containerdorf sei gemessen an europäischen Richtlinien «grundfalsch» konzipiert und halte humanitäre Mindeststandards nicht ein, sagte er zu den Tamedia-Zeitungen.
«Wie in Lesbos» – das sind die Kritikpunkte
Falsche Raumaufteilung, viel zu wenig Wohnfläche pro Person. «Eine solche Siedlungsarchitektur verwenden wir in unseren Schulungen als Beispiel, wie man es nicht machen sollte», erklärt er weiter. Salzmann hat in den letzten 30 Jahren für die UNO und das Internationale Rote Kreuz zahlreiche Notunterkunft-Siedlungen geplant.
Der Experte kritisiert neben der hohen Wohndichte – bei voller Auslastung steht einer vierköpfigen Familie 15 Quadratmeter Wohnfläche zu – insbesondere die Anordnung der zweistöckigen Wohnmodule.
«Solche Zentren sollten um einen zentralen Kreis organisiert sein», sagt Salzmann weiter. Denn im Raster würden sich traumatisierte Bewohnende wie in Militärbaracken oder einer Haftanstalt fühlen. Das niedergebrannte Flüchtlingslager in Lesbos sei ähnlich angelegt gewesen wie die Siedlung im Viererfeld, so Salzmann.
Gegenüber SRF bekräftigt Salzmann seine Kritik. «Man kann nicht auf so wenig Raum leben.» Und tadelt weiter insbesondere die fehlenden halbprivaten Vorräume vor einzelnen Containern. «Das gibt ein Chaos.» Wären die Geflüchteten nur einen Monat hier, fände er das okay. Doch es wisse niemand genau, wie lange sie effektiv unter diesen Bedingungen wohnen müssten. «Das ist kein Leben», so Salzmann weiter.
All diese Fehler hätte man bei einer guten Planung vermeiden können, sagt Ueli Salzmann. «Und zwar zum gleichen Preis», so der Experte. Das Containerdorf kostet über zehn Millionen Franken.
«Keine Änderungen»: Kanton wehrt sich gegen Kritik
Projektleiter Stefan Bähler führte eine SRF-Reporterin durch das Gelände. Bähler weist die Kritik zurück, etwa zur «kasernenartigen» Anordnung der Container. «Aufgrund der Platzverhältnisse können wir die Wohneinheiten nicht einfach frei aufstellen», so Bähler. Velos und andere persönliche Gegenstände könnten in separaten Containern gelagert werden.
Man habe in einer Notsituation rasch reagiert und unter grossem Zeitdruck geplant. Der Kanton Bern verfüge über entsprechendes Know-how, solche Containersiedlungen zu realisieren, sagt er weiter.
Wegen des hohen Bautempos gibt es keine Änderungen.
Bähler will die von Salzmann aufgeführten Kritikpunkte ernst nehmen. Aber: «Grundsätzlich gibt es, auch wegen des hohen Bautempos, nichts zu ändern», so Bähler, der zuvor als kantonaler Impfchef tätig war. Zudem werde das Containerdorf nicht voll belegt. «Wenn eine Frau mit zwei Kindern in einen Container kommt, wird das zusätzliche Bett sicher nicht besetzt.»
Wie viele Leute tatsächlich im Containerdorf wohnen werden, ist noch offen. Derzeit verfügt der Kanton über anderweitige Reserven von über 600 Betten.