Vor allem kleine Betriebe hat der Corona-Lockdown zum Teil in eine prekäre, finanzielle Situation gebracht. Auch viele Marktfahrer gehören dazu. Und die Aussichten sind düster, da zahlreiche Jahrmärkte und Messen bis weit in den Herbst hinein abgesagt wurden.
Weiterarbeiten, weil die AHV nicht ausreicht
Ein 67-jähriger Marktfahrer aus Bern verkauft seit über 40 Jahren an einem Stand Silberschmuck. Weil die AHV von rund 1900 Franken nicht ausreiche, arbeite er auch übers Pensionsalter hinaus weiter, erzählt er dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Manche seiner Kolleginnen und Kollegen auf den Märkten seien in einer ähnlichen Situation.
Und wie die meisten anderen muss er nun einen grossen Einnahmeverlust verkraften. Denn die Jahrmärkte und Messen, an denen er in anderen Jahren jeweils einen Grossteil seines Umsatzes erwirtschaftete, fallen weg.
Weder Taggeld noch Kurzarbeitsentschädigung
Der Marktfahrer beantragte für seine GmbH Unterstützung beim Staat. Doch erfolglos. Hauptgrund: Sein Alter. Weil er das Pensionierungsalter schon überschritten hat, zahlt ihm die Arbeitslosenversicherung keine Kurzarbeitsentschädigung.
Und die AHV-Ausgleichskasse zahlt ihm keine Erwerbsersatz-Taggelder, weil er sein Marktgeschäft als GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) führt. «Als Inhaber einer GmbH, der sich sozusagen selber einen Lohn auszahlt, hat der Mann den Status eines Angestellten.» Daher habe er keinen Anspruch auf den Erwerbsersatz, begründet das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf Anfrage von «Espresso».
Diese Regelung für die sogenannt «arbeitgeberähnlichen Personen», die auch AGs betrifft, wurde mit der entsprechenden Covid-19-Notverordnung zwar vorübergehend bis Ende Mai aufgehoben. Aber davon profitieren nur Inhaber unter 65 Jahren.
«Das darf doch nicht wahr sein»
Jener 67-jährige Marktfahrer würde hingegen einen Erwerbsersatz erhalten, wenn er eine Einzelfirma führen würde, sagt Thomas Gächter, Rechtsprofessor an der Universität Zürich. Das Taggeld wird unter dieser Voraussetzung ohne Alterslimite ausbezahlt. Allerdings wurde diese Unterstützung auch nur bis Ende Mai gewährt.
Der Marktfahrer aus Bern versteht die Welt nicht mehr: «Das darf doch nicht wahr sein», sagt er gegenüber «Espresso». Jahrzehntelang habe er brav seine AHV- und ALV-Beiträge bezahlt und nun gehe er leer aus. Der Staat müsse bei den Corona-Entschädigungen über die Bücher.
Marktfahrer und Schausteller lobbyieren für bessere Entschädigungen
Das fordert auch Jürg Diriwächter, Präsident des Schweizer Marktverbandes. Vor allem müsse die Frist für die Entschädigungen verlängert werden: «Manche von uns müssen noch monatelang mit Einnahmeausfällen rechnen.» Zusammen mit den Schaustellerverbänden sind die Marktfahrer im Bundeshaus am Lobbyieren. Noch vor Ende Juni erwarten sie einen Entscheid vom Bundesrat.
Besonders ärgerlich sei, dass Jahrmärkte und Messen ja grundsätzlich wieder stattfinden könnten, so Diriwächter. Viele Gemeinden und Veranstalter würden sie aber wegen der Corona-Auflagen abblasen.