Inmitten von grinsenden Larven, Holzzoggeli und Bast-Perücken sitzt Hans Ledermann am Tisch und freut sich. Dabei ist die Lage für Fasnachts-Ateliers wie das seine in diesem Jahr alles andere als spassig.
Normalerweise hätten sie um diese Jahreszeit alle Hände voll zu tun und wären am Larven malen und Kostüme nähen für Cliquen. Stattdessen: leere Auftragsbücher. «Im Oktober habe ich einen Umsatz von 80 Franken gemacht», sagt Ledermann. Deshalb hat er sich mit acht anderen Fasnachts-Manufakturen aus der Region Basel zusammengetan und eine eigene Solidaritäts-Blaggedde herausgegeben.
Den Gewinn teilen sich die neun Ateliers. Es sei eher symbolischer Betrag, gibt Ledermann zu. Ein bis zwei Monatsmieten könne er damit aber bezahlen. Es gehe vor allem darum, auf ihre schwierige Lage aufmerksam zu machen. Mit Erfolg: Bereits habe ihnen ein Gönner einen Teil der Produktionskosten für die Blaggedden gespendet.
Fallengelassen wie eine heisse Kartoffel
Beim Verkauf werden sie von vielen Cliquen unterstützt. Unter den Käufern hat es viele Fasnächtlerinnen und Fasnächtler, die für zehn Franken ihre Solidarität zeigen. Ein Betrag, um den in normalen Zeiten nicht selten hart gefeilscht wird.
Diese Erfahrung musste etwa die Schneiderin Rosmarie Stachow machen. Viele Jahre habe sie in ihrem Nähatelier für Cliquen genäht. «Wenn dann Fasnacht war, war ich natürlich auch ein bisschen stolz auf das Resultat meiner Arbeit», erzählt Stachow.
Doch dann wollte die Clique den Preis drücken. «Ich hatte eigentlich nie das Gefühl, dass ich zu teuer war.» Sie habe sich an den üblichen Preisrahmen gehalten, der sowieso nicht besonders hoch sei. Reich werde man als Schneiderin nicht.
Auch wenn die Clique schlussendlich den normalen Preis bezahlte, wollte sie nach der Fasnacht nicht mehr mit Stachow zusammenarbeiten. «Wahrscheinlich haben sie jemanden gefunden, der 20 bis 30 Franken billiger ist», vermutet Stachow, «und dann wird man einfach abserviert.»
Am untersten Ende der Lieferkette
Mit ihrer Erfahrung steht Stachow nicht alleine da, auch wenn kaum jemand das so öffentlich sagt wie sie. «Die Fasnacht ist ein knallhartes Geschäft», bestätigt Pascal Kottmann, ein Kenner der Szene. Selber viele Jahre aktiv in einer Stammclique, ist er vor allem für seine künstlerischen Larven und Laternen bekannt.
Bei den Zulieferern seien die Schneiderinnen ganz am Ende der Kette – nach den Larvenmachern und Laternenmalern, die im Gegensatz zu den Schneiderinnen als Künstler gelten. «Viele nehmen gar nicht wahr, was die alles leisten».
Er fände es bedenklich, dass in manchen Cliquen gestritten werde, wenn ein Kostüm am Ende zehn Franken teurer sei als geplant. «Fasnacht macht man mit Herzblut, das soll auch seinen Wert haben.» Doch jetzt in der wohl grössten Krise der Fasnacht erlebe er viel Solidarität, sagt Kottmann. Schliesslich sässen nun alle im gleichen Boot: Cliquen, Zulieferer, Beizen.
Tatsächlich, viele Cliquen wollen weiter gehen, als nur eine Solidaritäts-Blaggedde zu kaufen. Der Stammverein Seibi etwa beteiligt sich mit 80 Franken an jedem Kostümauftrag, den ein Mitglied bei der Schneiderin der Clique privat bestellt.
So habe die Corona-Krise trotz allem zumindest etwas Gutes, findet Kottmann: «Es macht allen wieder bewusst, was für ein wahnsinnig toller Brauch die Fasnacht ist und wie viel dahintersteckt».