Der Kanton Tessin war wegen seiner Grenzlage zu Italien im Frühjahr schweizweit am stärksten von der Corona-Krise betroffen. Jeder dritte Fall war damals in der Südschweiz zu finden. Ganz anders heute. «In der Lombardei gibt es aktuell wenige Fälle. Hinzu kommt, dass im Tessin immerhin zehn Prozent der Menschen die Krankheit bereits hatten.» So erklärt der Tessiner Kantonsarzt Giorgio Merlani, warum es im Tessin seit vielen Wochen jeweils nur sehr wenige Neuansteckungen gibt.
«Der wichtigste Punkt ist aber die grosse Sensibilität der Bevölkerung. Die Menschen halten sich an die Hygienemassnahmen», so Merlani weiter. Dass die Menschen im Tessin in Sachen Coronavirus sehr selbstverantwortlich handeln, erkennt man daran, dass die allermeisten in den Einkaufsläden Masken tragen – freiwillig und ohne Vorgaben des Staatsrates.
Lockerungen in Altersheimen
Solche Vorgaben gibt es aber durchaus. Seit Anfang Juli sind Versammlungen über 30 Personen verboten. In Clubs gilt eine Obergrenze von hundert Menschen. Dazu galten bis vor Kurzem sehr strenge Vorsichtsmassnahmen in den Altersheimen. Besuche auf den Zimmern waren verboten. In gewissen Altersheimen war nur einmal die Woche ein Besuch von 45 Minuten möglich.
«Es gab Heime, die sehr strikt waren, weil deren Leiter Angst hatten, für neue Ansteckungen verantwortlich gemacht zu werden», sagt der Tessiner Gesundheitsdirektor Raffaele De Rosa. Diese monatelangen harten Auflagen in den Tessiner Altersheimen waren für viele Bewohner und Bewohnerinnen sehr belastend. Manche von ihnen verloren regelrecht den Lebenshunger.
Hoffen auf tief bleibende Fallzahlen
Jetzt hat die Tessiner Regierung Lockerungen veranlasst. Angehörige dürfen Besuche in den Zimmern machen oder ihre Lieben nach draussen nehmen. «Gott sei Dank», sagt Alberto Pons. Seine 96-jährige Mutter habe sehr gelitten in den letzten Monaten. «Ich hatte viel Kontakt mit anderen Angehörigen von betagten Menschen. Viele waren unglücklich über die rigiden Vorschriften in den Altersheimen. Wir werden sehen, wie die neuen Regeln jetzt umgesetzt werden.»
Die Tessinerinnen und Tessiner hoffen jetzt, dass die Fallzahlen niedrig bleiben und es in den Altersheimen keine neuen Fälle gibt. Denn die Tessiner Behörden haben unlängst klargemacht, dass diese aktuellen Regeln sehr schnell wieder ändern und die Heime wieder schliessen können.