Das Tessin hat seine Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus am Mittwoch um Mitternacht massiv ausgeweitet – vorerst bis Ende Monat. Kinos, Theater, Fitnesszentren, Bars, Diskotheken, nachobligatorische Schulen und auch Skigebiete bleiben geschlossen. Daniel Koch, Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten beim BAG, rechnet damit, dass die anderen Kantone ebenfalls weitergehende Massnahmen ergreifen werden.
SRF News: Im Tessin sind die Massnahmen gegen das Coronavirus ausgeweitet worden. Müsste der Rest der Schweiz nicht nachziehen?
Daniel Koch: Der Rest der Schweiz wird sicher auch das machen, was jetzt im Tessin geschieht. Die Welle ist jetzt in der Schweiz angekommen. Es geht nun darum, vor allem die Risikogruppen zu schützen: alte Menschen und chronisch Kranke. Denn für sie ist das Virus gefährlich. Sie benötigen Spitäler. Und wenn es dort zu viele Patienten gibt, werden die Spitäler mit der Situation nicht zurechtkommen.
In der Sendung «Rendez-vous» präzisiert Koch, dass davon auszugehen sei, dass andere Kantone ähnliche Massnahmen wie das Tessin ergreifen werden. «Ob man den Notstand ausruft oder nicht, ist nicht der wesentliche Punkt.» Ob andere Kantone dieselben Verbote aussprechen werden, oder ob andere Massnahmen zweckdienlicher sind, hänge von lokalen Begebenheiten ab.
Die USA haben einen Einreise-Stopp verhängt. Trump sagt, die EU habe zu lasch reagiert – da ist die Schweiz mitgemeint. Haben Sie zu zurückhaltend gehandelt?
Nein, es geht vielmehr darum, dass man rechtzeitig die richtigen Massnahmen ergreift. Jetzt ist die Welle da. Jetzt braucht es die Massnahmen, um die Welle zu beherrschen, und auch um die Intensivstationen zu entlasten. Deshalb müssen die Risikogruppen vor Infektionen geschützt werden. Und die Massnahmen, die man jetzt ergreift, zielen auf dieses Ziel hin.
Für die jungen Erwachsenen und für die Kinder ist diese Krankheit nicht gefährlich, sie ist aber sehr gefährlich für Risikopatienten.
Italien hat drastisch reagiert. Das Gesundheitssystem kommt dort an die Grenzen, vor allem im Norden. Was heisst das für die Schweiz?
Für die Schweiz heisst es, dass wir das sehr ernst nehmen, dass wir sehen, was in Italien passiert, dass wir versuchen, mit allen Mitteln solche Situationen zu verhindern. Das heisst, wir müssen schauen, dass nicht zu viele Kranke in den Spitälern auftauchen und krank werden – vor allem die Älteren. Deshalb geht es darum, diese Risikogruppen vor Infektionen zu schützen. Für die jungen Erwachsenen und für die Kinder ist diese Krankheit nicht gefährlich, sie ist aber sehr gefährlich für Risikopatienten.
In Italien werden zusätzliche Kapazitäten geschaffen, etwa mit Lazaretten. Ist das in der Schweiz noch kein Thema?
In der Schweiz werden sich die Spitäler darauf konzentrieren, dass vor allem die Intensivpflegestationen von anderen Patienten befreit werden. Man wird diese Betten für Coronavirus-Patienten brauchen. Diese Betten kann man nicht einfach neu bauen. Man muss die Infrastruktur richtig nutzen, die zur Verfügung steht.
Sie rechnen damit, dass die Fallzahlen weiter steigen. Es ist also nicht mehr eine Frage, ob die Schweiz die Massnahmen verschärft, sondern wann?
Es ist eine Frage, wie die Schweiz mit dieser Krise umgeht. Und wenn wir das Richtige machen, dann können wir diese Krise bewältigen. Wenn wir es falsch machen, dann werden wir mehr Todesfälle zu beklagen haben, als nötig wäre.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.