Noch vor kurzem ist die Frage, ob geschlossene Schulen helfen, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, in der Schweiz mit Nein beantwortet worden.
Eine neue Studie, die heute in der «Sonntagzeitung» veröffentlicht worden ist, zeigt nun aber ein anderes Bild. Die Untersuchung der ETH Zürich, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen hat die Mobilitätsdaten der Schweizer Wohnbevölkerung vom Frühling 2020 mit denjenigen vom Frühling 2019 verglichen. Anhand anonymisierter Handydaten untersuchten die Forschenden, welche konkrete Massnahme die Mobilität in der ersten Welle wie stark reduziert hat.
Mobilität um über 20 Prozent gesunken
Das Resultat: Durch die Schulschliessungen wurde die Mobilität Mitte März um über 20 Prozent gesenkt. Nur zwei Massnahmen haben die Bewegungen noch stärker eingeschränkt: die Schliessung von Restaurants, Bars und Geschäften sowie das Versammlungsverbot für mehr als fünf Personen.
Mit den Schliessungen der Schulen blieben nämlich auch die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Eltern vermehrt zu Hause, sagt Studienleiter Stefan Feuerriegel. «Mit unserer Studie können wir zum ersten Mal die gesamte Kette abbilden. Um dann Einzelmassnahmen einen Wert zu geben und Empfehlungen darüber treffen, wie viel Mobilität reduziert werden müsste, um die Fallzahlen in einem gewünschtem Bereich zu behalten.»
Epidemiologen und Lehrer sind zurückhaltend
Trotz dieser Studienergebnisse: Für die oberste Lehrerin der Schweiz sind Schulschliessungen – zumindest auf Primarstufe – keine erstrebenswerte Massnahme: «Wir haben festgestellt, dass rund ein Drittel der Schüler im Fernunterricht im Frühjahr wenig bis nichts gelernt hat. Dieser Umstand hat uns grosse Sorgen bereitet», sagt Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz.
Und selbst in Epidemiologen-Kreisen gibt man sich bei möglichen Schulschliessungen zurückhaltend. Arzt und Epidemiologe Didier Pittet betont: «Die Schliessung von Schulen ist eine sehr schwierige Entscheidung und birgt auch das Risiko einer sozialen und wirtschaftlichen Krise.»
Ich fände es angebracht, wenn man Lehrpersonen auch zur Personengruppe zählen würde, die ein Impfprivileg erhalten.
Statt Schulen zu schliessen, zieht Dagmar Rösler eine Alternative mit ein: «Lehrerinnen und Lehrer absolvieren einen systemrelevanten Beruf. Deshalb fände ich es angebracht, wenn man Lehrpersonen auch zur Personengruppe zählen würde, die ein Impfprivileg erhalten. Dass sich Lehrpersonen also demnächst impfen lassen könnten, wenn sie das wollen.»
Der Effekt einer solchen Massnahme bedarf wohl bereits der nächsten Studie.