Ab morgen Donnerstag wird die Homeoffice-Pflicht und die Kontaktquarantäne aufgehoben. Die Homeoffice-Pflicht wird in eine Empfehlung geändert. Zusätzlich schickt der Bundesrat zwei Öffnungsvarianten bei den Kantonen in die Vernehmlassung. Bei der ersten Variante würden ab dem 17. Februar praktisch alle Massnahmen wegfallen.
Wie sinnvoll sind diese Lockerungsschritte? Kommen sie angesichts der hohen Fallzahlen nicht zu früh? Nein, sagt Bundespräsident Ignazio Cassis. Nun sei der richtige Zeitpunkt dafür gekommen.
SRF News: Herr Bundespräsident, es ist die Rede von einem Freudentag. Worauf freuen sie sich am meisten?
Ignazio Cassis: Heute ist ein guter Tag. Es ist ein Tag, wo wir Licht am Horizont sehen. Ich freue mich auf diesen Optimismus, der durch die Entwicklung der Pandemie entstanden ist, und der dem Bundesrat erlaubt, bald diese Freiheitsbeschränkungen aufzuheben.
Warum wartet man nicht mindestens, bis die hohen Fallzahlen wieder in eine andere Richtung gehen?
Die Entwicklung läuft in die gewünschte Richtung. In die Richtung, die sich der Bundesrat zu Beginn des Jahres vorgestellt hatte. Ergo kommen jetzt die nächsten konkreten Schritte. Wir wollen die Bevölkerung nicht warten lassen und unsicher handeln.
Wir wissen genug, um diese Lockerungsschritte machen zu können.
In den letzten Tagen hat man viele warnende Stimmen gehört. Von Wissenschaftern, von Kantonsregierungen, von Kantonsärzten. Ist ihnen als ehemaliger Kantonsarzt wohl bei der ganzen Angelegenheit?
Absolut. Die Lagebeurteilung im Bundesrat war sehr vertieft. Wir sind absolut ruhig in diesen Entscheiden. Nun stellen wir diese Entscheide in Aussicht, auch den Kantonsärzten, und sind gespannt auf deren Reaktionen.
Fühlen sie sich nicht angesprochen, wenn Ärzte erklären, dass ihnen die Lockerungsschritte zu schnell vonstattengehen?
Ärzte sind kein homogenes Gebilde wie Wissenschafter und Politiker. Jeder hat seine Meinung.
Viele Dinge über das Virus sind noch unbekannt. Wenn nun breit gelockert wird, besteht dann nicht das Risiko, dass die Fallzahlen steigen, und eben auch das Gesundheitswesen belastet wird?
Natürlich wissen wir nicht alles über diese Krankheit. Das werden wir im Verlauf der Jahre lernen. Aber wir wissen genug, um diese Schritte machen zu können.
Wir können auf vieles verzichten, nicht aber auf die Impfung.
Zu den Langzeitfolgen, Long Covid als Beispiel, weiss man noch relativ wenig. Das ist ein Risiko.
Heute ist die Bevölkerung über 20 Jahre zu mehr als 90 Prozent immunisiert. Wenn das Virus zirkuliert, entstehen trotzdem keine klinisch schweren Krankheiten. Der Bundesrat hat immer das Ziel gehabt, schwere Erkrankungen zu vermeiden und genügend Spitalkapazitäten zu haben.
Was kann jetzt noch schiefgehen?
Dass beispielsweise eine neue, viel schwierigere Variante dieses Virus auftaucht, und uns erneut in eine schwierige Lage bringt. Darauf haben wir uns aber auch vorbereitet. Deshalb ist die Botschaft nach wie vor klar: Wir können auf vieles verzichten, nicht aber auf die Impfung.
Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.