Mit den Infektionszahlen steigt auch die Auslastung der Spitäler – in der Schweiz, aber auch im Rest der Welt. Während hierzulande mit weiteren Schutzmassnahmen bisher noch zugewartet wird, handeln andere Länder entschlossen. Zum Beispiel Wales: Dort gilt ab Freitag während etwas mehr als zwei Wochen ein erneuter Lockdown.
Ein Weg, der auch die Schweiz gehen könnte, findet Nicola Low. Die Epidemiologin lehrt an der Universität Bern und ist Mitglied der Covid-19-Taskforce des Bundes. «Es wäre sinnvoll, einen solchen ‹Circuit-Breaker-Lockdown› vorzubereiten», sagt sie.
Bessere Kontrolle dank kurzem Lockdown?
Der sogenannte «Circuit-Breaker-Lockdown» ist ein Lockdown, der bereits im Voraus auf eine kurze Zeit befristet ist – wie ihn Wales jetzt beschlossen hat. Ziel ist es, die Reproduktionsrate schnell zu senken. «Damit hat man etwas mehr Zeit, andere Massnahmen umzusetzen und eine bessere Kontrolle über die Übertragung», erklärt Low.
Man müsste jetzt festlegen, bei welcher Zahl von Neuansteckungen, Hospitalisierungen, Todesfällen oder Auslastung der Intensivstationen ein solch befristeter Lockdown verhängt werde, fordert Low. «Wir sind in einer sehr heiklen Situation und müssen uns vorbereiten.»
Wenn man die jetzt schon mache, sei das weniger hart für die Leute und für die Wirtschaft als wenn der Lockdown unangekündigt komme.
Schweiz mit höherem R-Wert als Wales
In Wales liegt der 7-Tage-Schnitt bei 120 Neuansteckungen pro 100'000 Einwohner, die Reproduktionszahl R liegt bei 1.4. Die Schweiz verzeichnet 102 Neuansteckungen pro 100'000 Einwohner, der R-Wert lag zuletzt bei 1.56. Das bedeutet, dass hundert Neuinfizierte im Schnitt 156 Personen ansteckten. «Wenn sich die Zahlen weiter in diese Richtung entwickeln, brauchen wir vielleicht einen Lockdown», sagt Low. Sie unterstreicht aber, dass dieser nur zwei oder drei Wochen dauern sollte.
Auch wie genau der Lockdown aussehen würde, müsste noch definiert werden. In Wales werden alle nicht-notwendigen Geschäfte geschlossen, dazu gehören auch Bars und Restaurants. Die Leute dürfen das Haus nur für wenige, genau definierte Tätigkeiten verlassen, zum Beispiel zum Einkaufen. Es ist verboten, Leute zu treffen, mit denen man nicht zusammenwohnt.
Bund äussert sich zurückhaltend
Der Bund äussert sich zu einer solchen Möglichkeit zurückhaltend. Diese Strategie beruhe auf Modellrechnungen. Bisher habe das niemand ausprobiert, sagt Stefan Kuster, Leiter Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit, während einer Medienkonferenz zur aktuellen epidemiologischen Lage. «Modellrechnungen sind sehr hilfreich, um sich ein Bild über eine Situation zu machen. Die Realität können sie aber nie ganz erklären.»
Die Herausforderung sei insbesondere, dass man den Effekt der «Circuit Breakers» noch gar nicht sehe, wenn man den Mini-Lockdown beende. «Aufzuhören, wenn sich die Zahlen noch gar nicht stabilisiert haben, stelle ich mir schwierig vor», sagte Kuster. Dennoch prüfe der Bund im Rahmen verschiedenster Szenarien im Moment auch diese Möglichkeit.