Die SVP ist mit der Corona-Strategie des Bundes nicht einverstanden und verlangt seit Wochen umfassende Lockerungen. Dem Bundesamt für Gesundheit unter Bundesrat Alain Berset werfen Parteiexponenten wie zum Beispiel SVP-Präsident Marco Chiesa diktatorische Züge vor.
Und Nationalrat Roger Köppel forderte die Gastrobetriebe gar auf, die Betriebe ungeachtet der Bundesratsbeschlüsse am 1. März wieder zu öffnen.
Wer die Schweiz als Diktatur sehe, verharmlose eine real existierende Diktatur, sagt Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Mit solcher Rhetorik spiele die SVP mit dem Feuer: «Damit insinuiert man, dass man sich auch mit nicht rechtsstaatlichen Mitteln, also mit Gewalt, gegen diese angebliche Diktatur wehren soll.»
Für Pfister «gefährliche falsche Rhetorik»
Pfister erinnert daran, dass es SVP-Exponenten wie Köppel waren, die bei den Demonstrationen der Klimajugend die Wahrung des Rechtsstaats forderten. Jetzt rufe dieser in einem Videoblog dazu auf, die rechtsstaatlichen Regeln zu brechen.
Damit insinuiert man, dass man sich auch mit nicht rechtsstaatlichen Mitteln, also mit Gewalt, gegen diese angebliche Diktatur wehren soll.
Das rhetorische Zündeln kritisiert auch Mitte-Fraktionschefin Andrea Gmür und verweist auf die massive Zunahme der Morddrohungen gegen Bundesrat Berset: «So etwas geht absolut gar nicht. So wird sehr viel Aggression in der Bevölkerung geschürt. Es ist praktisch schon ein Aufruf zum Sturm des Kapitols», sagt Gmür.
Kurt Fluri: «Nur Wahlkampfrhetorik»
Laut FDP-Nationalrat Kurt Fluri sind die Diktatur-Töne der SVP völliger Unsinn und nur Wahlkampfrhetorik: «Man kann sich jetzt aufspielen als grosser Vertreter der Gastronomen und des Gewerbes überhaupt, die man als einzige Partei zu schützen vorgibt.» Es gebe im Parlament aber bessere Möglichkeiten, um die Beschlüsse des Bundesrats zu ändern.
Man kann sich jetzt aufspielen als grosser Vertreter der Gastronomen und des Gewerbes überhaupt.
Für seine Parteikollegin Doris Fiala spricht die SVP dagegen vielen aus dem Herzen: Bei der Virusbekämpfung werde manches vernachlässigt, die Menschen seien müde und verunsichert. Und das adressiere die SVP: «Man vergisst vielleicht die sozialen, die gesellschaftlichen und auch die psychologischen Probleme, die mit dem Lockdown und den Schliessungen von Lokalen einhergehen können.»
Die Menschen sind müde und verunsichert, und das adressiert die SVP.
Auch Mitte-Nationalrat Martin Candinas möchte gerne mehr Lockerungen, aber: «Es geht doch nicht, dass wir die Bevölkerung fast aufrufen, gegen die Gesetze zu handeln. So können wir mit unserem Land nicht umgehen. Das passt nicht zur Schweiz, das ist nicht schweizerisch.»
Das passt nicht zur Schweiz, das ist nicht schweizerisch.
Aeschi propagiert Verordnungsveto
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi hält sich mit dem Ausdruck «Diktator» zurück, verteidigt aber die scharfen Töne von Parteikollegen. Der Bundesrat lege das Epidemiengesetz sehr weitreichend aus und gebe sich sehr viele Kompetenzen.
Aeschi sagt: «Berset pflegt die anderen Bundesräte jeweils sehr spät am Dienstagabend zu informieren. Das führt de facto dazu, dass er eigentlich diktiert und damit bestimmt, was der Bundesrat am Mittwoch beschliesst.» Deshalb gibt Aeschi allen recht, die hinter Bundesrat Bersets Handlungen diktatorische Züge sehen.
Berset pflegt die anderen Bundesräte jeweils sehr spät am Dienstagabend zu informieren.
Die SVP-Bundesräte Guy Parmelin und Ueli Maurer würden sich regelmässig gegen den Kurs von Berset stemmen, betont Aeschi. Laut Medienberichten seien sie aber in der Minderheit. Deshalb werde man jetzt der Fraktion beantragen, dass das Verordnungsveto im Epidemiengesetz eingebaut wird – für den Fall, dass der Bundesrat seine Kompetenzen überschreite. Die Revision des Covid-Gesetzes wird in der Frühlingssession behandelt.