Die Türen des Luganeser Altersheimes «Serena» sind seit Wochen für Besucher und Besucherinnen geschlossen. Doch wurde hier ein Weg gefunden, wie man sich wenigstens sehen kann. Der Raum zwischen der ersten und zweiten Schiebetür des Altersheimeingangs wurde in einen Besuchsraum umfunktioniert. Die Tochter sitzt im Windfang. Die Mutter hinter der zweiten Schiebetür. Die Tochter ruft ihr zu: «Ciao Mammetta, kannst Du mich sehen?»
Dank Kristallraum können sich Verwandte sehen
Altersheim-Direktor Paolo Pezzoli erklärt: «Das ist unser Kristallraum. Wir haben ihn gemütlich gestaltet mit Polsterstühlen.» Man versuche, etwas Privatsphäre zu schaffen. Die Verwandten sprechen übers Telefon miteinander. «Sie können sich wirklich sehen, nicht nur übers Tablet kommunizieren, das ist ganz wichtig!»
Pezzoli sagt, viele Heimbewohner hätten den Humor in diesen schwierigen Zeiten noch nicht verloren. Im grossen Hinterhof, der Teil eines Parks ist, finden viele Aktivitäten statt. Musiker und Clowns treten auf, bald soll es Theateraufführungen geben. Die älteren Bewohner können von ihren Balkonen aus die Unterhaltung geniessen.
Alltagsstruktur ist weggebrochen
Sabrina Antorini ist bei der Stadt Lugano zuständig für die sozialen Dienste: Sie hat eine Telefonhotline eingerichtet für ältere Menschen, die Rat brauchen. Fast ein Drittel der 60'000 Einwohner und Einwohnerinnen von Lugano ist über 65 Jahre alt. Es gibt Tage, da klingelt das Sozialdiensttelefon bis zu 200 Mal: «Die Isolation vieler älterer Menschen, die jetzt alleine zu Hause sind, macht mir Sorgen», sagt sie. Vielen Menschen sei ihre Alltagsstruktur regelrecht weggebrochen. Sie könnten nicht mehr raus unter die Leute – und sei es nur, um einkaufen zu gehen, und in der Bar Kaffee zu trinken.
Einsamkeit schlägt auf die Psyche und das belastet früher oder später auch die körperliche Gesundheit. Bemerkenswert schnell ist im ganzen Tessin eine Struktur von Hilfskräften entstanden. In Lugano gibt es mehr als 400 Freiwillige, darunter viele Pfadfinder, die älteren Menschen die Einkäufe heimbringen. Quartiervereine, Altersorganisationen, alle arbeiten unter Hochdruck.
Not macht erfinderisch
Computerfirmen machen gratis alte Tablets wieder brauchbar. Die werden in Altersheime gebracht. So können deren Bewohner erleben, wie ihnen wildfremde Kinder vorlesen und vorsingen. Zum Beispiel Schüler aus Locarno, die von ihrem Lehrer betreut werden. Not macht erfinderisch. Und das ist gut so. Denn all diese Unterstützungsmassnahmen sind dringend notwendig.
Giampaolo Cereghetti, Präsident der Altersorganisation ATTE, hat diese Woche ein neues Hilfsangebot gestartet. Eine Telefonhotline für Menschen über 65, die plaudern wollen: «Ich habe Freunde, die Ärzte und Apotheker sind. Sie haben mir gesagt, es gebe viele alte Menschen die anrufen würden, um Fragen zu stellen. Es gehe ihnen aber nur darum, jemanden zum Plaudern zu haben.»