Gesundheitsminister Alain Berset wurde diese Woche überdeutlich: Die Deutschschweiz und ihre Spitäler müssten nun aus Solidarität mit der Westschweiz auf nicht-dringliche Operationen verzichten. Im Tagesschau-Interview des Westschweizer Fernsehens betonte er dies gar mit Kraftausdrücken. Denn erste Patientinnen und Patienten werden in die Deutschschweiz verlegt.
«Finanzieller Aspekt wird ausgeblendet»
Doch dort gelangen die Verantwortlichen zu einer anderen Einschätzung: Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli entgegnet, in Zürich und in der Ostschweiz seien noch genügend Plätze vorhanden. Die Hälfte der Spitäler habe das Operationsprogramm reduziert.
Es ganz zu streichen, sei unverhältnismässig: «Auf der einen Seite ist es nicht nötig und auf der anderen Seite blendet Bundesrat Berset den finanziellen Aspekt aus.» Denn wegen des Operationsstopps im Frühling sprechen die Spitäler von Milliarden-Verlusten.
Noch gibts Platz auf den Intensiv-Stationen
Auf der Intensivstation des Unispital Basel möchte Leiter Hans Pargger nicht von Streit oder rauem Ton sprechen: «Die Solidarität zwischen den Spitälern ist gut angelaufen. Es hat am Anfang Schwierigkeiten in der Abstimmung gegeben, zu welchem Zeitpunkt man welche Operationen nicht mehr durchführt. Aber das hat sich jetzt gelegt», sagt er.
Derzeit ist laut Pargger knapp die Hälfte der rund 900 zertifizierten Intensivplätze mit Corona-Patienten belegt, effektiv seien aber rund 1200 Plätze einsatzbereit. «Es kann nicht sein, dass man in der Westschweiz bereits triagiert und sagt, wir haben keine Betten mehr und in der Deutschschweiz macht man noch geplante Operationen und hätte noch Betten», sagt Pargger.
Schweizweite Entscheidung gefordert
Der Entscheid Triage Ja oder Nein sollte deshalb für die ganze Schweiz getroffen werden, regt die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) an. «Wir alle finden es gut, wenn das schweizweit ausgelöst wird», sagt Intensivmediziner Pargger.
Konkret ist es der Lenkungsausschuss der nationalen Koordinationsstelle. Neben Pargger sind darin weitere Fachleute der Intensivmedizin vertreten, der Spitäler sowie der zuständigen Stellen von Bund und Kantonen. «Man macht diese Verschiebung von Patienten so lange, bis es in der ganzen Schweiz nur noch eine bestimmte Anzahl Betten hat. Erst dann würde man empfehlen, dass es eine Triage gibt.»
Neu nimmt auch die Ethik-Professorin Samia Hurst im Lenkungsausschuss Einsitz, die Vize-Präsidentin der wissenschaftlichen Corona-Task-Force ist.
Entscheid wird nicht einfacher
Den konkreten Triage-Entscheid allerdings, also wer intensiv-medizinisch behandelt wird und wer nicht, trifft das Behandlungsteam am Patienten-Bett: «Da reden wir über die Behandlung. Da gibt es keine Vorschriften, weder beim Kanton noch von der AMW, noch vom Bund. Es sind die Einzelpersonen am Bett des Patienten, die diese Entscheidung treffen müssen. Das macht es so schwer», sagt Pargger.
Trotz all dieser Vorbereitungen bleibt die Hoffnung, dass es in der Schweiz nie so weit kommt.