Allein für das Jahr 2022 hat die Schweiz 34 Millionen Impfdosen bestellt. Das bedeutet pro Kopf etwa vier Impfungen. Das ist bestimmt genug Impfstoff – und genug davon hat die Schweiz schon seit Längerem.
Die Schweiz konnte es sich leisten, auf Nummer sicher zu gehen und setzte früh auf viele Impfstoffe. Die Kehrseite: Unterdessen drohen viele Impfdosen das Haltbarkeitsdatum zu überschreiten oder sind schon verfallen.
Dabei hat der Bund eigentlich hehre Ziele, was den Umgang mit überschüssigen Impfdosen anbelangt: 19 Millionen Impfdosen wolle die Schweiz weitergeben, in Länder, in denen es an Impfdosen mangelt. Tatsächlich konnte die Schweiz bisher lediglich 3.2 Millionen in solche Länder liefern.
«Vollkasko-Mentalität» des Bundes
Der Zuger Ständerat Peter Hegglin (Mitte) ist über diese Entwicklung bei den Impfstoffen nicht glücklich. Er kritisierte schon früh die, wie er sagt, «Vollkasko-Mentalität» der Schweiz beim Kauf von Impfdosen. An dieser Strategie habe man zu lange festgehalten: «Man sah schon diesen Februar, dass man etwa zehn Millionen Impfdosen nicht braucht. Da hätte man zu einer risikoorientierten Strategie wechseln können.»
Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber (Grüne/ZH) bedauert auch, dass Millionen von Impfdosen im Sondermüll landen. Anders als Hegglin macht sie aber dem Bundesrat keine Vorwürfe. Die Schweiz habe ein gutes Gesundheitssystem und habe es sich leisten können, auf Vorrat genügend Impfstoff zu beschaffen.
Bedauerlich sei vielmehr, dass es nicht gelungen sei, mehr Dosen in ärmere Länder zu liefern. «Das Traurige ist, die Länder, die es nötig hätten, haben teilweise vor Ort keine Gesundheitsversorgung, sprich es kann nicht verteilt werden.»
Derzeit besteht global ein Überangebot bei Covid-19-Impfstoffen.
Auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) betont, es habe nicht an der Bereitschaft der Schweiz oder an der Vorbereitung gelegen, dass man einkommensschwachen Ländern nicht mehr helfen konnte: «Derzeit besteht global ein Überangebot bei Covid-19-Impfstoffen», schreibt das BAG auf Anfrage. Es fehle die Nachfrage nach Impfstoffen auch in vielen Entwicklungsländern.
Es ist heuchlerisch zu sagen, man könne nicht mehr spenden, weil die Nachfrage nicht da sei.
Dieses Argument stösst Gabriela Hertig sauer auf. Hertig ist Gesundheitsspezialistin bei der globalisierungskritischen Organisation «Public Eye». «Es ist heuchlerisch zu sagen, man könne nicht mehr spenden, weil die Nachfrage nicht da sei.»
Die Schweiz habe von Anfang an Impfstoffe gehamstert und internationale Initiativen für die gerechtere Verteilung von Vakzinen nur zögerlich unterstützt. Auch jetzt kaufe die Schweiz noch mehr Impfstoffe, als sie brauchen werde.
Widerstand gegen Impfstoff-Käufe
Seit Mitte Jahr regt sich auch im Parlament Widerstand gegen den Umfang der Impfstoff-Käufe. National- und Ständerat haben den Kredit halbiert, den der Bundesrat für die Impfdosen für 2023 ausgeben wollte. Ein Erfolg unter anderem von Ständerat Hegglin.
Viel wichtiger sei es nun aber, findet Nationalrätin Prelicz-Huber, darauf hinzuarbeiten, dass «Hamsterkäufe» nicht mehr nötig sei. Das gelinge, wenn mehr in die Forschung investiert werde, ist Prelicz-Huber überzeugt: «Das wäre dringend nötig. Dann könnten wir ein anderes Mal vielleicht ein bisschen besser planen.»
Wenn die Schweiz dank besserem Forschungsstand bei einer nächsten Pandemie besser planen könnte und weniger auf Vorrat einkaufen müsste, dann blieben, so die Hoffnung, von Anfang mehr Impfdosen für ärmere Staaten übrig.