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Covid-19 Wie die Pandemie die Gerichte bis heute beschäftigt

Seit bald zwei Jahren ist die Covid-19-Pandemie offiziell beendet. Doch für die Justiz gilt das nicht: Gerichte im ganzen Land arbeiten noch immer «Corona-Fälle» ab.

Waren die Notverordnungen des Bundesrats rechtens? Brauchte es die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr? Und durfte mein Arbeitgeber mir kündigen, weil ich mich nicht gegen Covid-19 impfen liess?  Die Pandemie hat zu zahlreichen Gerichtsstreitigkeiten geführt.

Wie viele genau lässt sich nicht feststellen, da nicht alle Gerichte die Fälle separat ausweisen. Ein paar Beispiele: Das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen hatte insgesamt etwa 160 bis 170 Fälle, die mit der Pandemie zu tun hatten. Die Gerichte des Kantons Zürich haben bisher über 400 Fälle abgeschlossen, 10 sind noch pendent. Das Appellationsgericht Basel-Stadt hat bisher 55 Gerichtsfälle entschieden und das Obergericht des Kantons Graubünden etwas über 20.

Häufige Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Pandemie

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Während der Pandemie gab es viele Beschwerden gegen Schutzmassnahmen wie die Maskenpflicht. Zu arbeitsrechtlichen Streitigkeiten kam es häufig, wenn ein Arbeitgeber eine Impfpflicht anordnete. Und viele Unternehmen gerieten wegen der Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten, weshalb Konkurse eröffnet wurden.

Wegen des Shutdowns haben manche Geschäfte von ihrem Vermieter eine Mietzinsherabsetzung verlangt – wegen eines behaupteten Mangels an der Mietsache. Und später überprüften die Behörden, ob Härtefall- und Kurzarbeitsentschädigungen oder andere Finanzhilfen zu Recht ausbezahlt wurden und forderten sie gegebenenfalls zurück – was die Betroffenen gerichtlich anfechten können. Auch Betrügereien rund um Corona-Kredite sorgen bis heute für viele Gerichtsfälle.

Die Rückmeldungen von den Gerichten aus verschiedenen Kantonen sind sehr unterschiedlich: Manche Gerichte hatten durch die Pandemie eine deutliche Mehrbelastung, bei anderen hielt es sich in Grenzen.

Wichtige Rechtsfragen geklärt

Die Pandemie hat nicht nur zu Streit geführt, sondern auch neue Rechtsfragen aufgeworfen, die höchstrichterlich geklärt werden mussten.

Blick auf ein Gebäude in der Dämmerung
Legende: Noch nicht Feierabend: Das Bundesgericht in Lausanne wird wohl noch einige Fälle im Zusammenhang mit der Pandemie zu beurteilen haben. KEYSTONE/Jean-Christophe Bott

Zum Beispiel urteilte das Bundesgericht, die Corona-Massnahmen seien nicht widerrechtlich gewesen, es gebe deshalb keinen Schadenersatz für Betroffene.

Eine Frau und ein Mann schütteln sich vor dem Bundegericht die Hand
Legende: Die linke Politikerin Simone Machado und der rechte Rechtsanwalt Artur Terekhov kämpften gemeinsam vor Bundesgericht gegen Demonstrationsverbote während der Pandemie. KEYSTONE/Cyril Zingaro

Oder: Die Corona-Testpflicht für ungeimpftes Gesundheitspersonal sei verhältnismässig gewesen. Dass vier Berufsmilitärs ihre Stelle verloren, weil sie die Covid-19-Impfung verweigerten, stufte das oberste Gericht ebenfalls als rechtens ein. Hingegen durften Demonstrationen während der Pandemie laut Bundesgericht nicht komplett verboten werden.

Rechtsstreitigkeiten kosten

Ein grosser Brocken sind die Missbräuche mit Covid-19-Krediten. Gemäss Statistik sind rund 1'800 Strafverfahren abgeschlossen und über 3'000 noch offen. «Die Bearbeitung potenzieller und effektiver Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit den Covid-19-Krediten hat bei verschiedenen Akteuren auf Bundes- und Kantonsebene Kosten verursacht», schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco. Es sei unmöglich, die tatsächlich entstandenen Kosten abzuschätzen.

Weil zahlreiche Fälle noch vor Gericht sind und der Folgeaufwand schwer zu schätzen ist, hat der Bund Rückstellungen in der Höhe von 20 Millionen Franken gemacht.

Ein Ende noch nicht in Sicht

Noch pendent sind heute vor allem Fälle, in denen die Behörden Kurzarbeitsentschädigungen oder andere finanzielle Unterstützungen zurückfordern. Beim Bundesverwaltungsgericht sind noch etwa 30 Fälle offen, in denen sich Firmen dagegen wehren, dass das Seco einen Teil der Kurzarbeitsentschädigung zurückfordert: «Es gingen etwa 100 Beschwerden ein, die die betroffene Abteilung recht belastet haben und von denen derzeit ungefähr ein Drittel noch hängig ist», schreibt das Bundesverwaltungsgericht.

Blick auf ein Gebäude
Legende: Das Appellationsgericht Basel-Stadt befürchtet, dass die Betrügereien rund um Corona-Kredite es noch einige Jahre beschäftigen werden. KEYSTONE/Georgios Kefalas

Am Strafgericht Basel-Stadt gehen nach wie vor zahlreiche Fälle wegen Betrügereien rund um Corona-Kredite ein. «Und etliche Fälle sind wohl noch bei der Staatsanwaltschaft in Bearbeitung», schreibt das Appellationsgericht Basel-Stadt. «Es ist deshalb zu befürchten, dass solche Fälle das Appellationsgericht noch einige Jahre lang beschäftigen werden.»

Die Pandemie mag vorbei sein – die juristischen Nachwehen sind es nicht.

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SRF 4 News, 28.02.2025, 6:05 Uhr

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