Coronaviren lassen sich im Abwasser gut nachweisen. So konnten Forscherinnen und Forscher mittels alter Proben nachweisen, dass beispielsweise Coronaviren in Norditalien bereits im Dezember zirkulierten. Doch auch für die Betrachtung der aktuellen Fallzahlen ist Abwasser ein genauer Indikator.
Forschende der Eawag und der EPFL Lausanne haben ein solches System schon früh aufgebaut – und ihre zweimal pro Woche erhobenen Daten würden zeigen, dass das Abwassermonitoring eine sinnvolle Ergänzung zu den klinischen Tests sei, sagt Eawag-Mediensprecher Andri Bryner.
SRF News: Die grosse Frage, die sich alle stellen: Sinken die Fallzahlen in der Schweiz, stagnieren sie oder werden sie wieder steigen? Welche Aussagen kann man hierzu auf Basis der Abwasserdaten treffen?
Andri Bryner: Die Kurven der Coronaviren-Konzentration im Abwasser der Abwasseranlagen in Zürich und Lausanne sind in den letzten Wochen deutlich gesunken. Das Stagnieren der Zahlen oder ein weniger starkes Abfallen sehen wir auch, aber hier braucht es noch einige Tage mehr, bis wir das gut fundiert sagen können. Unsere Messungen zeigen aber vor allem deutlich, dass die Behauptung, die Zahl der Neuinfektionen wäre nur rückläufig, weil weniger oder weniger intensiv getestet würde, nicht zutrifft.
Unsere Messungen zeigen vor allem deutlich, dass die Behauptung, die Zahl der Neuinfektionen wäre nur rückläufig, weil weniger oder weniger intensiv getestet würde, nicht zutrifft.
Weshalb messen Sie die Coronaviren-Konzentration im Abwasser?
Der grosse Vorteil ist, dass wir mit relativ wenigen Abwasserproben eine gute Übersicht über eine grosse Zahl der Bevölkerung geben können. In Zürich sind 450‘000 Menschen an der Abwasserreinigungsanlage Werdhölzli angeschlossen. Wir haben ausgerechnet, dass rund 50 Abwasserproben über 100'000 klinischen Coronatests entsprechen. Hier haben wir also ein gutes Monitoring der Situation.
Wie zuverlässig sind solche Aussagen auf Basis von Abwasserdaten?
Aus unserer Sicht zuverlässig. Die Methoden sind mittlerweile sehr robust. Vor allem sind die Abwasserproben eine unabhängige Ergänzung zu den Tests. Denn wir können die Coronasituation unabhängig davon darstellen, wie viele sich testen lassen. Denn alle gehen auf die Toilette oder putzen sich die Zähne – und dieses Abwasser landet zu fast 100 Prozent in den Abwasserreinigungsanlagen.
Gibt es unterschiedliche Beobachtungen aus Zürich und Lausanne?
Bis jetzt noch nicht. Aber eben – die neuesten Messungen haben wir noch nicht vollständig ausgewertet. Vor allem sehen wir, dass in beiden Städten der erste Anstieg zur zweiten Welle bereits Mitte September sichtbar wurde – noch vor dem grossen Anstieg der positiven klinischen Tests. Das war im Kanton Waadt erst Ende September und in Zürich Anfang Oktober.
Gibt es Zahlen aus anderen Regionen? Ist das geplant?
Wir haben zu Forschungszwecken einzelne Stichproben aus anderen Kläranlagen gesammelt. Eine Ausweitung auf andere Regionen in der Schweiz wäre sicher wünschenswert. Denn was eine grössere Umsetzung von Abwasser-Monitoring betrifft, droht die Schweiz in Rückstand zu geraten. Wir sind ein Forschungsinstitut und können kein landesweites Programm aufbauen. Hier sind andere Stellen gefragt. Aber wir würden selbstverständlich beratend mithelfen und unser Knowhow zur Verfügung stellen.
Das Gespräch führte Luca Froelicher.