Cybermobbing und digitale sexuelle Belästigung unter Jugendlichen nehmen in der Schweiz zu. Ein radikaler Ansatz, um dem Phänomen entgegenzuwirken, ist ein komplettes Handyverbot für die Schülerinnen und Schüler. Das aber sei in der Schweiz nicht möglich, sagt die Zentralpräsidentin des Dachverbands der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer.
SRF News: Was bewirken Handys und soziale Medien unter Schweizer Schülerinnen und Schülern?
Dagmar Rösler: Wir wissen aus der James-Studie der ZHAW, dass Jugendliche in ihrer Freizeit täglich drei bis fünf Stunden am Smartphone oder im Internet sind. Umso wichtiger ist es, dass die Geräte nicht auch noch in der Schule benutzt werden.
Ein komplettes Handyverbot an einer Internatsschule in den USA hat gezeigt, dass sich dies sehr positiv auf die Psyche der Jugendlichen auswirkt. Könnte dies auch ein Ansatz für Schweizer Schulen sein?
In der Volksschule wäre das etwas schwierig durchzuführen – die Jugendlichen gehen nach der Schule ja nach Hause, nicht wie im Internat. Deshalb ist ein vollständiges Handyverbot in der Schweiz nicht umsetzbar. Wichtig ist, dass das Handy gezielt eingesetzt wird.
Ein bewusstes Handhaben der Handys tut den Kindern und Jugendlichen gut.
Eine Studie hat etwa gezeigt, dass Kinder und Jugendliche in Lagern deutliche Anzeichen einer Stärkung der psychischen Gesundheit zeigen – weil sie dort oft aufs Handy verzichten. Das zeigt: Ein bewusstes Handhaben der Handys tut den Kindern und Jugendlichen gut.
Wäre immerhin ein generelles Handyverbot an den Schulen in der Schweiz denkbar?
In vielen Schulen und vor allem auf der Primarstufe ist das schon jetzt so. Meist wird das absolute Verbot ab Sekundarstufe dann etwas gelockert – in dem Sinn, dass das Gerät zwar in die Schule mitgebracht werden darf, während des Unterrichts aber weggeschlossen bleibt.
Lehrer dürfen die Handys bei Regelverstössen einziehen, müssen sie aber nach Schluss der Schulstunde wieder zurückgeben.
Dazu gibt es Vorgaben des Kantons, die jede Schule aber wiederum selber umsetzt. Auch dürfen die Lehrer Handys bei Regelverstössen inzwischen einziehen, müssen sie aber nach Schluss der Schulstunde wieder zurückgeben.
Was tun die Schulen zur Sensibilisierung der Schülerinnen und Schüler, was den digitalen Raum angeht?
Die Schule hat die Aufgabe, die Kinder und Jugendlichen darauf hinzuweisen, wie man die Geräte nutzt, was man tun kann und lassen muss – etwa das Hochladen von Fotos in nicht-privaten digitalen Räumen. Sie soll den Kindern einen guten, konstruktiven Umgang mit technischen Geräten beibringen.
Die neue James-Studie zeigt, dass die digitale sexuelle Belästigung unter Jugendlichen zunimmt. Fruchtet die Sensibilisierung an den Schulen also zu wenig?
Die Schule tut, was in ihrer Macht liegt. Viele Kinder und Jugendliche wissen, was sie im digitalen Raum zu tun haben. Doch leider halten sich nicht alle an die Regeln und ihr Handeln ist ihnen wohl zu wenig bewusst.
Die Eltern müssen wissen, was ihre Kinder im Netz tun.
Deshalb muss man immer wieder darauf hinweisen – bekanntlich höhlt steter Tropfen den Stein. Zudem stehen auch die Eltern in grosser Verantwortung: Sie müssen wissen, was ihre Kinder im Netz tun.
Auch Cybermobbing nimmt laut der Studie zu. Was tun die Lehrerinnen und Lehrer dagegen?
Sie sprechen immer wieder mit den Jugendlichen darüber, wie man sich gegenüber anderen verhält, was man bei anderen auslösen kann, wenn man sie verleumdet, beschimpft oder bedroht. Wichtig ist auch, dass jene, die bedroht oder beschimpft werden, dies bei Lehrerinnen, Eltern oder Schul-Sozialarbeitern melden. Sie müssen deutlich sagen, was ihnen passiert, damit Erwachsene ihnen helfen können.
Das Gespräch führte Silvia Staub.