Ein kleiner Mensch kommt zur Welt – und stellt die Welt der Eltern gehörig auf den Kopf. Sich zurechtzufinden in diesem neuen Alltag mit Baby, das braucht Zeit. So viel ist unbestritten.
Doch wie viel Zeit braucht es wirklich? 14 Wochen für die Mutter, zwei Wochen für den Vater, so wie es heute gilt? Oder doch eine längere Elternzeit?
Diese Debatte steht ab Dienstag im Berner Kantonsparlament an. Es geht um eine Initiative der SP, die zusätzliche 24 Wochen Elternzeit vorschlägt: je sechs Wochen wären fix jedem Elternteil zugedacht, die restlichen zwölf Wochen könnten sich die Eltern frei aufteilen. Zusammen mit dem heute geltenden Urlaub ergäben das insgesamt 40 Wochen Elternzeit.
Viele Argumente – dafür und dagegen
«Es braucht beide Eltern, gerade in den ersten Wochen. Beide sollen eine Bindung aufbauen, beide Care-Arbeit übernehmen, damit auch die Mutter einfacher zurück in den Arbeitsmarkt gehen kann.», begründet SP-Grossrätin Maurane Riesen.
Parteikollege David Stampfli unterstreicht: «Elternzeit wäre ein Standortvorteil für Bern – gerade in Zeiten von Fachkräftemangel müssen wir in Familie und Zukunft investieren.» Auch eine Studie im Auftrag der Berner SP zeigt: Eine Mehrheit von 77% der Befragten würde eine Einführung einer Elternzeit im Kanton Bern befürworten.
Elternzeit wäre ein Standortvorteil für Bern.
Doch so sehen das nicht alle: «Kinder haben ist Privatsache, das muss jeder selber finanzieren», sagt zum Beispiel SVP-Grossrätin Andrea Gschwend-Pieren, «dies zu bezahlen wäre der Tod eines jeden KMU’s.»
Kinder haben ist Privatsache, das muss jeder selber finanzieren.
Andere wollen eine Elternzeit, sind aber gegen eine kantonale Lösung: «Die SP-Vorlage wird im bürgerlichen Bern keine Mehrheit finden.», so Claudine Esseiva, FDP-Grossrätin. «Und wieder ein Nein an der Urne ist kontraproduktiv für eine mehrheitsfähige Lösung auf nationaler Ebene.»
Auch in Zürich abgelehnt - Elternzeit im Gegenwind
Die Elternzeit hatte es schwer bisher: im Mai dieses Jahres lehnte das Zürcher Stimmvolk eine kantonale Vorlage mit fast 65 Prozent der Stimmen ab.
Es brauche eine nationale Lösung, das war auch in Zürich der Tenor und: eine Elternzeit könne man sich nicht leisten. Dies ist auch die Haltung der Berner Regierung. Sie lehnte die SP-Initiative in einem ersten Schritt ab.
Es brauche in dieser Sache wohl viel Zeit und kleine Schritte, ordnet Politgeograf Michael Hermann ein: «Das hat auch damit zu tun, dass man es sich in der Schweiz lange hat leisten können, dass die Frauen gar nicht oder nur zu einem kleinen Pensum gearbeitet haben. Der Wohlstand hat dieses traditionelle Muster festgesetzt.»
Nun geht es in Bern um Pro und Contra Elternzeit – vorerst im Grossen Rat, danach startet der Abstimmungskampf. Voraussichtlich im Sommer entscheidet das Berner Stimmvolk darüber, ob frisch gebackene Eltern mehr Zeit zu Hause bekommen sollen oder nicht.