Es war ein historisches Ja: Die Pflegeinitiative wurde mit einem Stimmenanteil von 61 Prozent angenommen. Der Bundesrat hat jetzt 1.5 Jahre Zeit, «wirksame Massnahmen zur Behebung des Mangels an diplomierten Pflegefachpersonen» zu treffen.
Dazuzählen zum Beispiel neue Ausbildungsplätze. Insgesamt bleiben vier Jahre, um alle geforderten Massnahmen umzusetzen. Der Lead hat der Bund, doch auch die Kantone können Massnahmen beschliessen, so fordert es jedenfalls die Linke. In einem Kanton hätte es eine solche Möglichkeit am Montag gegeben.
Der Kanton Bern könnte handeln
Im Rahmen der Budgetdebatte im Berner Kantonsparlament präsentierte eine Minderheit der Finanzkommission Anträge auf Verbesserung fürs Pflegepersonal. Mehrere Vorschläge lagen auf dem Tisch: Unter anderem eine Lohnerhöhung für Pflegepersonal von bis zu 1.5 Prozent – statt 0.4 Prozent, wie es die Regierung möchte.
«Diese Lohnerhöhung wäre gut investiertes Geld», hiess es beispielsweise von Tanja Bauer, Präsidentin des VPOD des Kantons Bern und Mitglied der SP. Der Einstiegslohn für Pflegehilfen liege im Kanton Bern bei 3622 Franken auf 100 Prozent. Zwar sei der Lohn nicht das wichtigste bei der Berufswahl, aber dennoch spiele er eine Rolle: «Für Pflegehilfen und Fachfrauen Gesundheit ist der Lohn wichtig – in diesen Berufskategorien machen 50 Franken pro Monat einen Unterschied.»
Wenn einem gute Pflege wichtig ist, muss man Ja stimmen.
Auch Manuela Kocher (SP) vom Berufsverband des Pflegefachpersonals sieht dringenden Handlungsbedarf. «Wenn eine gute Pflege wichtig ist, muss man Ja stimmen – für eure Grossmuttter, für eure Mutter, für euren Vater.» Das Pflegepersonal sei bekanntlich am Anschlag, Stellen bleiben unbesetzt, Pflegende kündigen den Job und wechseln den Beruf. Nathalie Imboden von den Grünen meinte: «In so einem Moment müssen wir reagieren. Wir können nicht immer sagen, dass die anderen zuständig sind. »
Doch genau dieses Argument – die fehlende Zuständigkeit des Kantons – vereinte das bürgerliche Lager im Berner Kantonsparlament. Michael Köpfli (GLP) fände es falsch, wenn Bern eigenmächtig bereits gut eine Woche nach Abstimmungstermin damit beginnt, eine Initiative umzusetzen: «Der Bund ist im Lead, die Eckwerte zu definieren». Da könne man jetzt nicht vorgreifen und eigens Massnahmen beschliessen, die dann eventuell vom Bund wieder rückgängig gemacht würden. «Die Zuständigkeit muss gewahrt werden», so sieht es auch Raphael Lanz von der SVP.
Der Bund ist am Zug – nicht der Kanton.
Die Pflegebranche herauszuheben sei unfair und vor allem auch sinnlos, findet Adrian Haas (FDP): Es gebe auch andere Berufskategorien, die durch die Pandemie stark gefordert seien. Lehrpersonal, Polizistinnen und Polizisten. «Zudem sind wir nicht überzeugt, dass eine leichte Lohnerhöhung das Personalproblem in der Gesundheitsbranche löst. In der Branche der handwerklichen Berufe sehen wir, dass das nicht funktioniert.»
Parlament sagt: «Nein, aber»
Schlussendlich war das Resultat eindeutig: Das bürgerlich-dominierte Parlament lehnte es ab, dem Pflegepersonal bereits ab nächstem Jahr eine deutliche Lohnerhöhung zu gewähren. Die Vorschläge der SP, der Grünen und der Gewerkschaften scheiterten – es blieb schliesslich bei deN von der Regierung vorgeschlagenen 0.4 Prozent Lohnerhöhung.
Eine Mehrheit des Rates war aber dafür, langfristig Massnahmen zu ergreifen: Der Kanton solle in der Finanzplanung bis 2025 mehr Geld für die Ausbildung vorsehen und den Fachkräftemangel bekämpfen. Auch für die Umsetzung der Pflegeinitiative will das Parlament Geld bereitstellen.